Tod in Blau
irgendwelche Zwischenfälle gegeben hat. Wir dürfen nicht
auf der Stelle treten.«
»Zwischenfälle
sexueller Natur?«, fragte Stahnke.
»Was sonst? Nehmen Sie
sich zwei Leute, sprechen Sie mit ehemaligen Kameraden, vielleicht wurde
über ihn getuschelt. Ich weiß, das ist aufwendig, aber wir
brauchen Beweise, um Paul Görlichs Aussage zu stützen.«
Fräulein Meinelt steckte
den Kopf zur Tür herein. »Herr Kommissar, Sie möchten
bitte zu Kriminalrat Dr. Clauditz in die Inspektion D kommen.«
Robert sah ihn verwundert an.
»Was will der denn von dir?«
Schulterzuckend stand Leo
auf. »Ich habe da so eine Vermutung.«
Er hatte sich nicht getäuscht.
Dr. Clauditz, ein magerer, glattrasierter Mann Ende fünfzig, dessen
Haarfarbe zu schwarz war, um echt zu sein, begrüßte ihn höflich,
aber ohne Herzlichkeit, und bot ihm einen Stuhl an.
»Herr Kollege, Sie
werden sich vielleicht wundern, weshalb ich Sie herbitte.«
»Ich habe eine
entfernte Ahnung, Herr Kriminalrat«, erklärte Leo und bemühte
sich, Ruhe zu bewahren, obwohl er von Malchow am liebsten aus seinem Büro
gezerrt und zu seinem Vorgesetzten geschleift hätte.
»Wir ermitteln gegen
einen gewissen Bruno Schneider, einen Schieber, der sich seit kurzem auf
Waffengeschäfte verlegt hat. Nun ist dieser Schneider seit drei Tagen
spurlos verschwunden. Wir wollten morgen Abend die Verhaftung vornehmen,
da eine Übergabe von Waren ansteht, die uns endlich die nötigen
Beweise liefern könnte. Nun ist mir bekannt geworden, dass Ihre
Schwester mit ihm verkehrt.«
Leo musste sich beherrschen,
so anstößig klang der letzte Satz. »Meine Schwester hat
nichts von Schneiders kriminellen Geschäften gewusst, Herr
Kriminalrat«, sagte er gepresst.
Clauditz legte die
Fingerspitzen aneinander und sah ihn prüfend an. »Nicht, dass
wir ihr irgendeine böse Absicht unterstellen, aber gewarnt ist
gewarnt.«
»Sie hat ihn nicht
gewarnt, da sie erst seit gestern Abend von seinen Machenschaften weiß.«
»Und von wem, bitte?«
»Von mir.«
»So gehen Sie also mit
den Vorgängen unserer Inspektion hausieren. Plaudern seelenruhig im
Kreise der Familie darüber. «
Leo hatte genug. Er stand auf
und verschränkte die Arme vor der Brust. »Ich weiß nicht,
was dieses ganze Theater soll.«
Clauditz' Stimme klang eisig.
»Man hat mir zugetragen, Ihre Schwester könne von Ihnen, der
Sie ja immerhin bei der Kripo arbeiten, von der
bevorstehenden Verhaftung erfahren und Schneider gewarnt haben, worauf er
Berlin fluchtartig verlassen hat.«
»Soll ich raten, wer
der Zuträger war? Vielleicht der Kollege von Malchow?«
Clauditz' Blick verriet ihm, dass er richtiglag. »Gut, dann sage ich
Ihnen auch etwas: Herr von Malchow hat versucht, mich mit seinem Wissen
über meine Schwester zu erpressen. Ich sollte dafür sorgen, dass
er wieder in die Inspektion A versetzt wird, und er würde im Gegenzug
Stillschweigen über ihre Beziehung zu Schneider bewahren.«
Eigentlich war es nicht seine Art, Kollegen in den Rücken zu fallen,
aber diese billige Intrige ging einfach zu weit. Clauditz ließ sich
allerdings nicht so leicht beeindrucken.
»Wie dem auch sei, es
geht nicht an, dass Angehörige von Kriminalbeamten mit Verbrechern
verkehren. Das sollte einem Mann mit Ihrer Erfahrung eigentlich klar sein,
Herr Wechsler.«
Leo schlug mit der Faust auf
den Tisch. »Das lasse ich mir nicht bieten, Herr Kriminalrat. Meine
Schwester ist ein erwachsener Mensch, ich führe sie nicht am Gängelband.
Und Sie, Herr Kriminalrat, sollten Ihre Mitarbeiter besser im Zaum halten,
statt zuzulassen, dass sie die eigenen Kollegen verleumden. Guten Tag, ich
habe zu tun!«
Mit diesen Worten verließ
er das Zimmer und knallte die Tür hinter sich zu.
*
Als er in sein Büro zurückkehrte,
schauten Robert, Stahnke, Berns und Fräulein Meinelt ihm besorgt
entgegen, doch Leo winkte nur ab. Ihm war nicht danach, seinen häuslichen
Ärger vor ihnen auszubreiten.
»Wir fahren jetzt zu
vom Hofe«, erklärte er knapp. »Robert, Berns. Und Sie,
Stahnke, kümmern sich um vom Hofes militärische Vergangenheit.«
Sie mussten so viel Material wie möglich zusammentragen, um eine
hieb- und stichfeste Grundlage für einen Haftbefehl zu schaffen. Auch
wenn er sich vorhin so zuversichtlich gegeben hatte, konnte er nicht
sicher sein, ob Paul Görlich die Staatsanwaltschaft tatsächlich
Weitere Kostenlose Bücher