Tod in Blau
wa denn da? Besuch am
Abend?«
Paul nickte hilflos.
»Von Mutta
wechjeloofen, wa? Na, setz dir, da haste 'n Appel.«
Er hockte sich zwischen die Männer
und hielt unwillkürlich die Luft an, als er den Gestank ihrer
ungewaschenen Körper bemerkte. Egal, in diesem Keller würde ihn
so schnell niemand finden.
Als ihm einer die Flasche
hinhielt, griff er danach, schloss die Augen und trank. Eine brennend heiße
Flüssigkeit rann durch seine Kehle, er hustete, sein Nebenmann schlug
ihm unter dem Gelächter der übrigen auf den Rücken. Als das
Brennen aufhörte, fühlte es sich schön warm an. Sie gaben
ihm einen Apfel und einen Kanten Brot. Er fühlte sich beinahe wohl.
*
Nelly Wegner schaute ein
wenig ängstlich um die Türkante, als sie Leo öffnete, und
trat dann unsicher zurück. »Herr Kommissar, ist noch etwas?
Wegen der Adoption, meine ich … Ich hatte doch schon mit Ihrem
Kollegen gesprochen.«
Leo hob beschwichtigend die
Hand. »Nein, deswegen bin ich nicht hier. Darf ich hereinkommen?«
Sie nickte und führte
ihn ins Wohnzimmer. Als er sich in einem Sessel niederließ, merkte
er auf einmal, wie müde er war. »Möchten Sie einen Tee?«,
fragte Frau Wegner, die ihn aufmerksam musterte.
Leo nickte. »Gern, es
war ein langer Tag.«
Sie machte sich in der Küche
zu schaffen, und er schaute sich noch einmal im Zimmer um. Flüchtig
kam ihm der Gedanke, dass er Arnold Wegner gern kennen gelernt und mit ihm
über seine Bilder gesprochen hätte.
Als Nelly mit dem Tablett,
auf dem Teekanne, zwei Tassen, Zucker und Milch standen, zurückkam,
fing sie seinen Blick auf. »Ich werde nicht viel verändern.
Arnolds Geschmack hat mir immer gefallen, so möchte ich ihn in
Erinnerung behalten. Außerdem sieht es freundlich aus, genau richtig
für ein Kind.«
Sie schenkte ihm Tee ein und
setzte sich ihm gegenüber. Die Anspannung war von ihr abgefallen, sie
schien in sich zu ruhen.
»Frau Wegner, endlich
kommt Bewegung in unsere Ermittlungen, wir gehen einer wichtigen Spur nach«,
sagte Leo und rührte Zucker in seinen Tee. »Ich brauche dabei
aber Ihre Mithilfe. Ist Ihnen eine Skizze Ihres Mannes bekannt, auf der
ein deutscher Offizier dargestellt ist, der mit einem Jungen Unzucht
treibt?«
Sie schaute ihn überrascht
an. »Wie genau soll das aussehen?«
»Er drückt den
Jungen auf einen Tisch und missbraucht ihn von hinten«, sagte Leo.
Nelly errötete leicht
und schüttelte den Kopf. »Nein, so etwas habe ich nie bei ihm
gesehen. Und das soll Arnold gezeichnet haben? So obszöne Dinge hat
er gewöhnlich nicht gemalt.«
Leo trank dankbar den heißen
Tee aus und bedankte sich, als sie ihm eine weitere Tasse einschenkte.
»Wir haben die Zeichnung in einem verlassenen Kaninchenstall im
Wedding gefunden.« Auf ihren erstaunten Blick hin fügte er
hinzu: »Es geht um Paul Görlich, den Jungen, der sich öfter
bei Ihrem Mann im Atelier aufgehalten hat. Er fühlte sich anscheinend
verfolgt und verschwand, bevor wir ihn erneut befragen konnten. Wir haben
das Mietshaus durchsucht und im Kaninchenstall die Skizze entdeckt. Sie
ist nicht signiert, kann aber im Grunde nur von Ihrem Mann stammen. Nun
vermuten wir, dass Paul tatsächlich
verfolgt wurde, weil sich diese Zeichnung in seinem Besitz befand.«
Nelly sah ihn bedauernd an.
»Ich würde Ihnen gern weiterhelfen, Herr Kommissar, aber Arnold
hat mit mir nur selten über seine Arbeit gesprochen, das sagte ich
Ihnen ja bereits.«
Leo warf noch einmal einen
Blick auf das Bild von Wegners Elternhaus in dem blühenden Garten.
»Sie sagten aber auch, er habe dies hier kurz vor seinem Tod mit
nach Hause gebracht. Gab er damals einen Grund dafür an?«
»Nein. Er wollte es
einfach um sich haben. Gewundert hat es mich schon, da er es als eine Art
Inspirationsquelle zu betrachten schien, und er hat hier in der Wohnung
nie gemalt. Im Nachhinein kommt es mir so vor, als hätte er eine
Gefahr gespürt und das Bild schützen wollen.«
Leo erhob sich. »Frau
Wegner, ich danke Ihnen. Wir müssen den Jungen unbedingt finden, er
wird uns sicher mehr sagen können. Sobald wir etwas Neues wissen, hören
Sie von uns. Und danke für den Tee.«
*
Am liebsten hätte Leo
nun, da sie endlich vorwärtskamen, einfach weitergemacht, doch seine
Familie wartete auf ihn. Außerdem benötigte er ein wenig Ruhe,
es war ein langer Tag gewesen. Und sie
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