Tod in Blau
Liebhaber gewesen, aber sein brutaler Tod hatte sie erschüttert.
Hoffentlich hatte er nichts mehr gespürt, ein grausameres Ende konnte
sie sich kaum vorstellen. Sie und Arnold hatten schöne Stunden in
diesem Atelier verbracht, und damit meinte sie nicht nur den Spaß,
den sie im Bett gehabt hatten. Er war ein Mann mit einer bemerkenswerten
Ausstrahlung gewesen, die weder auf äußerer Schönheit noch
auf Reichtum gründete, sondern ein Teil seines Wesens war. Er würde
ihr fehlen.
»Hältst du es
wirklich für ratsam, zur Polizei zu gehen?«, fragte Stephan.
»Sie suchen den Mörder. Oder die Mörderin. Es könnte
verdächtig erscheinen, wenn du dich so an diesem Bild interessiert
zeigst.«
Thea setzte sich abrupt auf.
»Manchmal bist du wirklich ein Idiot. Ich hatte nicht den geringsten
Grund, ihn umzubringen. Vermutlich besitze ich sogar ein Alibi für
die Tatzeit, wann immer das gewesen sein mag. Er hat mich gemalt, also
kann ich auch offen zugeben, dass ich mich in seinem Atelier aufgehalten
habe. Offenheit ist der beste Weg. Und ich möchte unbedingt mein
Porträt haben.« Sie deutete lässig auf die Wand über
sich. »Da würde es sich wunderbar machen.«
»Du könntest es
auch verkaufen. Was meinst du, wie seine Bilder jetzt im Preis steigen.«
»Niemals«, sagte
Thea heftig. Ihr Ton duldete keinen Widerspruch.
»Schon gut.«
Stephan wollte es sich keinesfalls mit ihr verderben. Er wusste, allein würde
er es als Tänzer schwer haben, aber mit einer Partnerin wie Thea, die
alle Blicke auf sich zog, hatte er womöglich eine große
Zukunft. In Berlin gab es noch immer erstaunlich viele wohlhabende
Menschen, die sich als Förderer avantgardistischer Kunst betätigten,
und die galt es zu begeistern und immer wieder mit Neuem zu bedienen.
Viele Tänzer und Schauspieler drängten aus der Provinz und dem
Ausland auf die Bühnen der Hauptstadt, und man musste schon etwas
Besonderes bieten, um sich dort zu behaupten. Daher missfiel es ihm, wenn
Dinge wie diese Liebesaffäre Thea von ihrer Arbeit ablenkten.
Andererseits wäre es vielleicht gar nicht schlecht, wenn die Presse
davon erführe, immerhin war Arnold Wegners Tod für sensationelle
Schlagzeilen gut.
»Ruf an.«
»Wen?«
»Ruf die
Kriminalpolizei an und frag, was mit Wegners Bildern ist.«
Thea sah ihn erstaunt an.
»Woher dieser plötzliche Sinneswandel?«
Stephan zuckte mit den
Achseln. »Mir kam gerade die Idee, dass es eine gute Werbung für
uns sein könnte, wenn bekannt würde, dass Wegners letztes Werk
ein Porträt von dir war.«
Thea setzte sich auf, dann
traf ihn ein Sofakissen am Kopf.
»Du machst nichts ohne
Hintergedanken, was?« Aber sie sagte es lachend.
*
Herbert von Malchow und seine
Kollegen folgten dem Mann nun schon seit Tagen, doch die Beschattung hatte
bislang nichts Brauchbares ergeben. Er schien seine Aktivitäten
eingeschränkt zu haben, als spürte er, dass man ihm auf den
Fersen war. Die wenigen Leute, mit denen er sich traf, waren nicht polizeilich registriert und
schienen ehrbare Geschäftsleute zu sein, darunter ein Musikalienhändler
und der Besitzer eines Möbelhauses in Reinickendorf, denen er
harmlose Ware angeboten hatte. Viele ehemals wohlhabende Bürger waren
heutzutage gezwungen, Wertstücke wie Musikinstrumente oder antike Möbel
zu verkaufen, weil alle Ersparnisse vor ihren Augen zu nichts zerflossen.
Es war nicht ungesetzlich, derartige Gegenstände billig zu kaufen und
gewinnbringend weiterzuveräußern.
So vergingen die Tage. Abends
fühlte er sich abgespannt, obwohl er eigentlich nichts Anstrengendes
getan hatte, doch das stundenlange untätige Herumstehen, das mit der
Beschattung verbunden war, ermüdete von Malchow mehr als jede
Mordermittlung. Von wegen, mit solchen Fällen ließen sich Ruhm
und Ehre ernten. Er kam sich vor wie auf dem Abstellgleis und sehnte den
Tag herbei, an dem er endlich in die Mordinspektion zurückkehren
konnte.
Die Aufgabe langweilte ihn so
sehr, dass er beinahe die Frau übersehen hätte, die gerade aus
dem Auto des Kaufmanns stieg. Dieser reichte ihr den Arm, und sie drehte
sich halb um und lächelte Schneider ein wenig schüchtern an.
Dann verschwanden sie im Hausflur.
Von Malchow schob die Hände
in die Hosentaschen und runzelte nachdenklich die Stirn. Die Frau kam ihm
bekannt vor, aber er konnte sie nicht einordnen. Er sah
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