Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Tod in Blau

Tod in Blau

Titel: Tod in Blau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
Vom Netzwerk:
Kaiser
     zurück. Die Armee, das Rückgrat des Staates, wurde
     zurechtgestutzt, bis praktisch nichts mehr davon übrig blieb.«
    Solche Äußerungen
     brachten Leo längst nicht mehr in Rage. Solange die Reaktionären
     bloß redeten, hielt sich die Gefahr in Grenzen. Nur dass manche es
     nicht beim Reden beließen. Erst im Sommer hatten sie Außenminister
     Rathenau auf offener Straße erschossen. »Ich kann Ihre
     nostalgischen Erinnerungen an das Soldatenleben nicht teilen, Herr
     Oberstleutnant, aber Sie sind immerhin noch in Amt und Würden.
     Anscheinend waren Sie für die neue Republik unverzichtbar. Doch
     vielleicht sollten wir nun zum Thema Kunst zurückkehren.«
    Von Mühl schlug mit der
     Hand auf die Armlehne seines Sessels. »Die Kunst von heute ist nur
     ein weiterer Ausdruck unserer kranken Gesellschaft. Arnold Wegner war ein
     Beispiel dafür. Er hat als Soldat tapfer im Feld gestanden, und nach
     dem Krieg fiel ihm nichts Besseres ein, als alles zu malen, was hässlich
     und beschämend ist an Deutschland. Wozu solche Bilder? Reicht es
     nicht, das Elend jeden Tag auf der Straße zu sehen? Muss man das
     auch noch als Kunst verkaufen? Ich bitte Sie.«
    Leo behielt seine Ansichten
     über Kunst wohlweislich für sich und fragte: »Ist Ihnen
     bekannt, ob Wegner Feinde hatte? Ob es Menschen gab, deren Abneigung gegen
     ihn weit genug ging, um ihm nach dem Leben zu trachten?« 
    Von Mühls Augen
     verengten sich zu Schlitzen. »Sie wollen doch nicht -«
    »Keineswegs. Ich frage
     lediglich, ob Ihnen Leute bekannt sind, auf die dies zutrifft. Wir
     befinden uns noch am Anfang unserer Ermittlungen. Bei dieser Gelegenheit wüsste
     ich allerdings gern, wo Sie sich am Nachmittag und Abend des 21. November
     aufgehalten haben.«
    Von Mühl erhob sich
     betont langsam und trat an einen Servierwagen, auf dem mehrere
     geschliffene Kristallkaraffen standen. Dort schenkte er sich einen großzügigen
     Cognac ein -erneut ohne Leo etwas anzubieten -, schwenkte genießerisch
     das Glas und nahm einen Schluck, bevor er sich wieder in den Sessel
     setzte.
    Leo bewahrte Ruhe. Die
     demonstrative Überlegenheit, mit der Vertreter der ehemals oberen
     Klasse zuweilen auftraten, war ihm nicht neu. Dennoch war ihm der Mann
     mehr als nur unsympathisch. »Nun?«
    »Lassen Sie mich überlegen.
     Der 21. - was für ein Wochentag war das doch gleich?«
    »Ein Dienstag, Herr von
     Mühl.«
    »Hm, Augenblick, da war
     ich bei meiner Schwester zum Abendessen eingeladen. Sie ist Kriegerwitwe
     ohne Kinder und freut sich, wenn sie dann und wann für mich kochen
     kann.« Er betrachtete seine Fingernägel. »Es gab Zeiten,
     da hatte sie es nicht nötig, selbst am Herd zu stehen, aber
     heutzutage ist eine gute Köchin beinahe unbezahlbar. Und Marions
     Schweinebraten unvergleichlich.«
    »Sie selbst sind auch
     alleinstehend?«, warf Leo, den die Kochkünste der Schwester nur
     am Rand interessierten, rasch ein.
    Ulrich von Mühl trank
     seinen Cognac aus. »Ja, das ist richtig.« Sein Tonfall ließ
     erkennen, dass er nicht gern über dieses Thema sprach.
    »Nun gut. Ihre
     Schwester wird uns diese Aussage sicher gern bestätigen«,
     meinte Leo beiläufig.
    Von Mühl stellte sein
     Glas ab, ein wenig zu laut, wie Leo fand. »Selbstverständlich.
     Aber ich verstehe nicht, wieso Sie Marion damit belästigen wollen, es
     würde sie nur -«
    »Ich habe nicht vor,
     Ihre Schwester zu belästigen, das ist nicht meine Art«, sagte
     Leo kühl und stand auf. »Sollte Ihnen noch etwas zu Arnold
     Wegner einfallen, rufen Sie mich bitte im Präsidium an.« Er
     legte seine Karte auf den Servierwagen. »Sie brauchen mich nicht
     hinauszubegleiten.«
    *
    Walther stand unschlüssig
     vor dem Haus in der Hochmeisterstraße, das zugeklappte Notizbuch in
     der Hand. Er war bei Nelly Wegner gewesen und hatte sie nach dem Jungen
     gefragt, den Thea Pabst erwähnt hatte. Sie erinnerte sich flüchtig,
     ihn einmal beim Atelier gesehen zu haben, konnte aber nur eine sehr
     allgemeine Beschreibung von ihm liefern. Schmächtig für sein
     Alter, ärmlich gekleidet, braunes Haar - das traf vermutlich auf
     tausende Kinder im Wedding zu. Wegner hatte ihn ab und an einmal erwähnt,
     aber Nelly wusste auch nicht mehr als den Vornamen, Paul. Sie mochte
     anscheinend nicht gern darüber sprechen, dass ihr Mann sich mit einem
     Jungen angefreundet hatte, während er keine eigenen Kinder wollte.
     Also würde Leo nichts anderes übrig bleiben, als einige

Weitere Kostenlose Bücher