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Tod in Blau

Tod in Blau

Titel: Tod in Blau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
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Ihren Arbeitsplatz auch
     einmal in Augenschein nehmen.«
    »Er ist leider sehr
     viel prosaischer als der Ihre«, meinte Leo mit einem letzten Blick
     durch den Raum.
    *
    Paul hetzte in die nächste
     Hofeinfahrt. Blieb mit klopfendem Herzen stehen. Schaute vorsichtig um die
     Ecke. Der Mann stand auf dem Gehweg und sah sich suchend um. Paul wusste
     nicht, was er von ihm wollte, aber er hatte ihn im Vorbeigehen so seltsam
     angesehen. Auf einmal hatte er eine Hand am Rücken gespürt und
     war einfach losgerannt. Hatte er den Mann schon mal gesehen? Er war sich
     nicht sicher. Der hatte so feine Kleider an, ganz anders als die Leute
     hier. Eigentlich sollte er ja zur Frau Doktor gehen und nach der Medizin für
     Berti fragen, aber er traute sich nicht aus der Einfahrt raus, weil der
     Mann da stand.        
    Plötzlich fiel ihm ein,
     dass es schon spät war. Wenn er nun zu lange wartete und die Frau
     Doktor gar nicht mehr da war, wenn er hinkam? Die Mutter würde
     schimpfen, der Vater wieder den Riemen aus der Küchenschublade holen.
     Paul biss sich auf die Lippen. Er passte einen Augenblick ab, in dem der Mann in die andere Richtung sah,
     presste sich an die Hauswand und arbeitete sich zum nächsten Eingang
     vor. Blick nach rechts, der Mann entfernte sich langsam.
    Paul atmete auf. Noch ganz außer
     Atem stolperte er in die Praxis, wo die Ärztin gerade den Mantel
     überziehen wollte. »Was willst du denn hier? Ich habe
     geschlossen«, sagte sie eher müde als unfreundlich.
    Paul trat von einem Fuß
     auf den anderen. »Ich hab's nicht eher geschafft. Da war ein Mann,
     der hat mich so komisch angeguckt. Und der Berti braucht wieder Medizin.
     Meine Mutter war schon mal mit ihm bei dir.« 
    »Dann musst du morgen
     wiederkommen. Ich habe noch Hausbesuche zu machen.« Sie schaute ihn
     bedauernd an und wollte ihn sanft zur Tür schieben, doch Paul stemmte
     sich mit den Füßen dagegen.
    Magda Schott musterte den
     Jungen, der seltsam geduckt dastand, und lächelte schließlich.
     »Du bist ja ganz außer Atem. Und hast Seitenstiche, was? Komm
     mal mit rein.«
    Das Behandlungszimmer war
     einfach eingerichtet, weiße Metallmöbel, Schränke mit
     vielen braunen Flaschen, eine Waage, eine Liege, ein Waschbecken in der
     Ecke.
    »Wie heißt dein
     Bruder?«
    »Berti Görlich. Er
     hat's auf der Brust.«
    »Ach ja.« Sie
     nahm eine Flasche aus einem Wandschrank und gab sie ihm. Paul wühlte
     in der Hosentasche nach dem Geld, das seine Mutter ihm gegeben hatte, doch
     sie winkte ab.
    »Die kostet nichts.
     Nimm sie mit. Dreimal am Tag zehn Tropfen. Kannst du das behalten?«
    Er nickte erneut und ging zur
     Tür. Wie aus einem Impuls heraus drehte er sich noch einmal um und
     sagte: »Ich hatte mal einen Freund, der hat bunte Bilder gemalt.
     Aber der ist gestorben.«
    »Das tut mir leid.«
    Er lief, die Medizinflasche
     fest umklammernd, zur Tür.
    Dort zögerte er, steckte
     den Kopf hinaus und schaute vorsichtig nach links und rechts, bevor er
     sich nach draußen wagte.
    Als Leo Wechsler in die
     Emdener Straße einbog, winkte ihm sein Freund Joachim Kern zu, der
     gerade aus der Eckkneipe kam. Sie gaben sich die Hand. Joachim war überzeugter
     Kommunist, was ihrer Freundschaft nie im Wege gestanden hatte, doch Leo
     wusste, dass manche seiner Kollegen diese Verbindung missbilligt hätten.
     »Lange nicht gesehen, Leo.«
    »Hab viel zu tun.«
    »Bist du etwa mit
     diesem Maler zugange, der die scheußlichen Bilder von den dekadenten
     Bonzen gemalt hat?«, fragte Kern.
    Leo grinste. Aus diesem
     Blickwinkel hatte er die Sache noch gar nicht betrachtet. »Gut
     geraten, Joachim.« Sie gingen ein Stück nebeneinanderher. Der
     Wind wirbelte die letzten braunen Blätter über das Pflaster,
     selbst die Kinder waren aus Toreinfahrten und Innenhöfen
     verschwunden, weil es zu ungemütlich wurde. Nur eine Frau mit einem
     dicken Schal um den Kopf stand an der Pumpe und holte Wasser.
    »Ich wusste gar nicht,
     dass du die kapitalistischen Blätter liest, die über so etwas
     berichten. Wie steht es denn mit dem Weltkongress der Internationale?«
    »Willst du mich auf den
     Arm nehmen?«
    »Ach was. Ihr habt in
     vielem recht, aber…«
    »Aber?«
    Leo schlug ihm auf die
     Schulter. »Das kann ich dir nicht zwischen Tür und Angel erklären,
     schon gar nicht bei diesem Sauwetter. Lass uns demnächst mal ein Glas
     zusammen trinken.« Sie verabschiedeten sich herzlich, dann betrat
     Leo den Hausflur.

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