Tod in Blau
Termin bestätigt.«
Leo nickte geistesabwesend.
Als sie in seinem Büro saßen, sah er Walther fragend an.
»Und, was war eben so komisch?«
»Du hörst dich an
wie ein besorgter Vater, Leo. Ilse ist älter als du. Sie kommt schon
allein zurecht.«
Leo lächelte reumütig.
»Wem sagst du das? Aber ich bin mir nicht sicher, ob ich
zurechtkomme. Egal, jetzt haben wir Wichtigeres zu besprechen. Ruf
Stahnke, Berns und die anderen dazu.«
Als die Mordkommission vollzählig
versammelt war, verschränkte Leo die Hände auf der Tischplatte
und sah in die Runde. »Meine Herren, wir sollten uns gegenseitig auf
den neuesten Stand bringen. Der Kollege Walther hat mit Wegners Witwe
gesprochen. Sie ist übrigens Alleinerbin ihres Mannes, das hat er
testamentarisch verfügt. Wie groß das Erbe ist, kann bislang
nicht beziffert werden, aber es ist zu vermuten, dass die Gemälde
durch seinen Tod im Preis steigen werden. Ob dies jedoch als Motiv
ausreicht, ist fraglich. Wir sollten auf jeden Fall Frau Wegners Alibi
überprüfen, das kann der Kollege Berns übernehmen.«
Leo schob ihm den Zettel mit der Anschrift der Schirmhandlung in der Müllerstraße
hin. »Hören Sie sich in der Gegend um, ob sie noch woanders
gesehen wurde. Und Stahnke, Sie suchen weiter nach dem Jungen.«
»Ich finde, die
Vorgehensweise passt nicht zu einer Frau«, warf Berns ein.
»Sie können nicht
abstreiten, dass Frauen zu ungeheuerlichen Taten fähig sind«,
gab Leo zu bedenken. »Denken Sie nur an den Fall Martha Franzke.«
Sechs Jahre zuvor hatte man die furchtbar zugerichtete Frauenleiche in der
Gepäckaufbewahrung des Stettiner Bahnhofs gefunden. Die beiden Täterinnen
hatten aus Habgier gehandelt; eine wurde zum Tode, die andere wegen
offenkundiger Geistesschwäche zu lebenslanger Haft verurteilt.
»Dennoch bezweifle ich,
dass Nelly Wegner so vorgegangen ist, dafür dürfte das zu
erwartende Erbe nicht verlockend genug sein«, meinte Berns. »Das
Atelier an sich hat wohl keinen großen Wert. Und was können die
Bilder ungefähr einbringen?«
»Wir müssen uns
genau erkundigen, was von Frau Wegner zum Verkauf oder zur Versteigerung
angeboten wird, und den Gesamtwert schätzen lassen.«
Stahnke meldete sich zu Wort.
»Wegner verkehrte regelmäßig in einer Künstlerkneipe
namens ›Palette‹ in der Nähe vom Kurfürstendamm.
Dort sollten wir uns auch mal umhören.«
Leo nickte und notierte sich
die Angaben.
Dann beugte sich Walther vor
und hob die Hand. »Noch einmal zu Nelly Wegner. Auf eines möchte
ich hinweisen, selbst wenn die Beobachtung eher auf meinem persönlichen
Gefühl beruht. Sie wirkte bei meinem gestrigen Besuch deutlich
selbstsicherer als zuvor. Sie beginnt, ihre Zukunft zu planen, will sich
eine Stelle im Büro suchen. Mir kommt es vor, als würde sie den
Tod ihres Mann weniger bedauern, als sie vorgibt.«
»Dass sie ihre Zukunft
plant, rechtfertigt noch keinen Mordverdacht«, sagte Leo.
»Nein, aber sie wirkt
irgendwie … verändert. Als wollte sie sich ein ganz neues
Leben aufbauen.«
»Na ja«, meinte
Stahnke, »wenn Wegner so ein Filou war, ist sie vielleicht froh, ihn
los zu sein. Aber ob sie deswegen gleich zum Streichholz gegriffen hat?«
»Was hat eigentlich Ihr
Besuch bei diesem Offizier ergeben, Herr Kommissar?«, fragte Berns.
Leo drehte nachdenklich einen
Stift zwischen den Fingern. Er musste aufpassen, was er sagte, da seine
persönlichen Abneigungen gelegentlich mit der Forderung nach
polizeilicher Objektivität kollidierten. Im Grunde verkörperte
von Mühl genau das, was er am meisten verachtete: Standesdünkel,
reaktionäres Gehabe und Intoleranz, doch das alles machte ihn noch
lange nicht zum Mörder. Es lagen keinerlei Verdachtsmomente gegen von
Mühl vor, und daher sagte er nur: »Der typische Offizier.
Scheint finanziell gut gestellt zu sein. Trauert dem Kaiser nach, aber das
ist ja nichts Neues. Es gibt keinen Hinweis, dass er mehr getan hat als
Wegners Bilder zu kritisieren. Er findet sie dekadent und undeutsch, das können
wir ihm kaum verbieten.«
»Was ist mit seinem
Alibi?«
»Er hat bei seiner
Schwester gegessen. Wir können dort nachfragen, aber ich sehe im
Augenblick keine Anhaltspunkte, die weitere Nachforschungen rechtfertigen.
Wir konzentrieren uns zunächst auf Frau Wegner, die angebotenen
Bilder und diese Künstlerkneipe.« Er schaute in die Runde.
»Wie
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