Tod in Blau
Als er die Treppen hinaufstieg, fiel ihm etwas auf.
Seltsam, dass ein Roter wie Joachim Kern und der vornehme Oberstleutnant
von Mühl ganz ähnlich über Wegner dachten.
Ilse stellte eine Platte mit
Braten auf den Tisch. Leo sah überrascht hoch. »Nanu, gibt es
etwas zu feiern?«
Sie rief die Kinder und
setzte sich ihm gegenüber. Sie wirkte ein wenig verlegen, als sie ihm
ein Glas Wasser eingoss und den Braten aufschnitt. »Bruno hat mich
gefragt, ob ich am Samstag und Sonntag mit ihm in den Spreewald fahren möchte.«
»Dieses Wochenende
schon?« Leo verfluchte sich innerlich, weil sein erster Gedanke dem
Fall Wegner galt. Die Sache nahm viel Zeit in Anspruch, er würde
vermutlich auch am Wochenende Dienst tun müssen. Er überlegte
rasch und lächelte dann zustimmend. »Ich wünsche euch viel
Vergnügen.«
Ilses Kopf schnellte hoch,
als könnte sie nicht recht glauben, dass er so ruhig reagierte.
»Ich habe vorsichtshalber Frau Meyer aus dem ersten Stock gefragt,
sie kann nach den Kindern sehen, falls du ins Büro musst.«
»Wann soll es denn
losgehen?«
»Am Samstagmorgen,
Bruno hat vorher noch zu tun. Er kennt einen kleinen Gasthof in Groß
Lübbenau, dort hat er Zimmer bestellt. Die Gegend soll sehr hübsch
sein. Es ist zwar kalt, aber wir wollen trotzdem ein bisschen wandern. Das
ist auch im Winter ganz schön.« So gesprächig war Ilse
selten, und Leo spürte, dass sie eine gewisse Verlegenheit verbergen
wollte.
»Ich freu mich für
dich«, sagte er aufrichtig. Dann stürmten Georg und Marie
herein und machten sich begeistert über den Braten her.
11
Es stand in der BZ. Die waren
wirklich schnell wie der Blitz gewesen, dachte Walther, als er ein
Exemplar kaufte und weiter in Richtung Präsidium ging. Ein
vorbeifahrendes Automobil spritzte ihn mit Regenwasser voll, und er wich
fluchend einem Gemüsekarren aus, dessen Besitzer mit Blindheit
geschlagen schien. Dennoch gelang es ihm, im Gehen den Artikel zu überfliegen.
WEGNER: DAS LETZTE PORTRÄT
Wie soeben bekannt wurde,
porträtierte Arnold Wegner, der in seinem Atelier verbrannte
Skandalmaler, als letztes die attraktive Nackttänzerin Thea Pabst.
Bislang wurde das Bild jedoch nicht der Öffentlichkeit gezeigt, da
die Ermittlungen in diesem Todesfall noch andauern.
Gerüchteweise soll es
sich nun doch nicht um einen Arbeitsunfall handeln. Beging der Künstler
etwa Selbstmord? Wohl kaum, erklären Freunde, die ihn als
lebensfrohen Menschen schildern. Oder geht es sogar um Mord? Seine Witwe
wollte sich nicht zu diesen Vermutungen äußern.
Thea Pabst tritt gemeinsam
mit ihrem Partner Stephan Castorff auf. Er erklärte, sie sei bestürzt
über den Tod des Künstlers, wolle sich aber nun ganz auf die
Arbeit an einem neuen Tanzprogramm konzentrieren.
Wir sind gespannt, wie die
grazile Schönheit auf dem Porträt dargestellt wurde. Wegner war
dafür bekannt, dass er seine Modelle schonungslos ehrlich, wenn nicht gar in beleidigender Weise
malte. Doch es wird gemunkelt, dass mehr zwischen den beiden gewesen sein
könnte. Und wer würde seine Geliebte schon mit Absicht hässlich
darstellen?
Walther trat kopfschüttelnd
durch den Haupteingang und klappte seinen Regenschirm zu. Wie man sich
doch in Menschen täuschen konnte. Thea Pabst hatte einen so
sympathischen Eindruck gemacht, und jetzt nutzte sie die Sensationspresse,
um für sich Werbung zu machen. Wie verletzt würde Nelly Wegner
sein, wenn sie das las? Vielleicht war es aber auch eher dieser Castorff,
der Wert auf solche Berichte legte, er hatte doch so etwas erwähnt.
Egal, solange die Presse
nichts verriet, was die Polizei noch unter Verschluss hielt, konnte man
nichts dagegen unternehmen. Berlin war eine Zeitungsstadt, die Menschen
gierten nach Neuigkeiten, und was heute in den Blättern stand, war
oft morgen schon vergessen.
*
Leo Wechsler klingelte an der
Tür der Villa in Dahlem. Wieder öffnete der Diener in Frack und
schwarz-gelb gestreifter Weste und sah ihn fragend an.
»Guten Tag.
Kriminalkommissar Wechsler. Ich möchte zu Herrn von Mühl.«
Der Diener trat einen Schritt
zurück und nickte andeutungsweise. »Einen Moment, bitte, ich
sehe nach, ob der Herr Oberstleutnant zu sprechen ist.« Er betonte
den Dienstgrad. Nun ja, für manche Leute war so etwas wohl noch von
Bedeutung, gab es doch diverse Gruppen, die sich mehr oder weniger
heimlich
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