Tod in Blau
Kollegen
auf die Gegend um die Rehberge anzusetzen.
Auch seine übrigen
Fragen hatten wenig ergeben. Er war die Liste der Freunde und Bekannten
mit Nelly durchgegangen, doch es schien, als hätte sie so wenig am
Leben ihres Mannes teilgehabt, dass sie außer den bloßen Namen
kaum etwas Brauchbares beisteuern konnte.
Walther hatte nicht
lockergelassen. »Aber es gab doch sicher auch gemeinsame Freunde.«
Sie hob langsam die Achseln
und zupfte eine imaginäre Fluse von ihrem Schottenrock. »Ich
sagte doch bereits, wir lebten gewissermaßen in verschiedenen
Welten.«
»Und was ist mit seinen
Geliebten?«, fragte er absichtlich grob. »Sie geben
beispielsweise den Namen Thea Pabst an.
Woher haben Sie gewusst, dass
sie seine Geliebte war? Hat er es Ihnen gestanden? Haben Sie die beiden in
flagranti erwischt?«
Sie sah ihn verwundert an.
»Nein, das brauchte er mir nicht zu sagen. So etwas merkt man doch.«
Walther, der keine
Eheerfahrung besaß, hakte nach. »Woran? Fremdes Parfüm?
Haare auf der Jacke? Lippenstiftspuren?«
Sie schaute ihn an, ein wenig
verächtlich, wie er meinte. »Er hat mir erzählt, dass er
sie malen wollte. Ich hatte von ihr gehört, kannte ihr Bild aus der
Zeitung. Für mich stand außer Frage, dass er mit ihr ins Bett
gehen würde.«
»Dazu gehören
zwei.«
Sie lachte freudlos. »Ich
weiß, welche Wirkung er auf Frauen ausübte. Lassen Sie sich
nicht durch sein unscheinbares Äußeres täuschen, er besaß
großen Charme. Sie hätten ihn erleben müssen. Er war
interessant, das finden viele Frauen anziehender als gutes Aussehen.«
Walther zweifelte an dieser
These. Warum sonst fanden die Frauen Leo stets attraktiver als ihn? Ein
lohnendes Thema für ein Bier am Abend, dachte er belustigt.
»Hat er immer mit den
Frauen geschlafen, die er gerade malte?«, fragte Walther
geradeheraus.
»Nein. Er zog die
Grenze bei vierzig Jahren und hundertdreißig Pfund. Außerdem
war das Malen keine Grundvoraussetzung für eine nähere
Bekanntschaft.«
Er sah sie überrascht
an. Die Frau offenbarte ständig neue Seiten, anscheinend durfte man
sie nicht unterschätzen. Sie wirkte plötzlich weniger
verletzlich als bei ihrem ersten Gespräch, als schöpfte sie aus
dem Tod ihres Mannes neue Kraft. Nun ja, wenn die Ehe tatsächlich so
distanziert gewesen war, blühte sie als Witwe womöglich auf.
»Was werden Sie jetzt
anfangen?«
Sie überlegte. »Vielleicht
in eine andere Wohnung ziehen, in einer hübscheren
Gegend im Grünen. Ich überlege auch, mir eine Stelle im Büro
zu suchen. Ich erbe zwar Arnolds Geld, aber so viel hat er mit seiner
Malerei nicht verdient, und ich kann nicht den ganzen Tag allein zu Hause
sitzen. Eine Schreibmaschine besitze ich schon, damit habe ich immer
Arnolds Korrespondenz erledigt.«
»Wurde das Testament
bereits eröffnet?«
Sie sah ihn gelassen an.
»Nein. Das wird erst geschehen, wenn Ihre Ermittlungen abgeschlossen
sind. Aber ich kenne das Testament und weiß, dass ich alles erbe,
was Arnold besessen hat.«
»Darf ich fragen, wie
viel Sie zu erwarten haben?«
»Das steht noch nicht
fest. Diese Wohnung ist gemietet, viel Vermögen besitzen wir nicht.
Allerdings werden noch einige Bilder zum Verkauf angeboten.«
Und erzielen womöglich
noch bessere Preise, weil der Künstler auf spektakuläre Weise
ums Leben gekommen ist, dachte Walther bei sich. Zudem wollten heute viele
in Werte investieren, die nicht vom Verfall der Reichsmark betroffen
waren. Das hatte auch Lehnbach erwähnt, als er Leos Gemälde
bewunderte. »Wo waren Sie eigentlich, als im Atelier der Brand
ausbrach?«, fragte er weiter.
Nelly Wegner zuckte nicht mit
der Wimper, sondern schaute ihn gelassen an. Wieder wunderte er sich
über den Unterschied zu der verunsicherten Frau, die er und Leo bei
ihrem ersten Besuch in der Wohnung erlebt hatten. »Wie meinen Sie
das? Ich habe doch die Leiche meines Mannes entdeckt.«
»Und wo waren Sie
vorher?«
»Einkaufen.«
»Wo genau?«
»Ich habe die
Elektrische bis Seestraße genommen und bin ein bisschen gebummelt.
Auf der Müllerstraße.«
Nicht gerade die schönste
Gegend für einen Bummel, dachte er bei sich. »Haben Sie etwas
gekauft?«
»Nein. Doch, jetzt fällt
es mir ein. Einen Regenschirm. Er liegt drüben auf der Garderobe.«
Sie stand auf und kam mit einem rot-schwarz gemusterten Exemplar mit
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