Tod in Blau
mit dieser
silbernen Dose dagesessen und geheult.«
Walther horchte auf. »Mit
welcher silbernen Dose?«
»Na ja, Wegner hatte
ihr eine silberne Streichholzdose geschenkt, an der er wohl sehr hing. Und
zwar an dem Tag, als sie sich zum letzten Mal getroffen haben, als hätte
er etwas geahnt.«
Vielleicht war es doch mehr
gewesen als eine bloße Bettgeschichte. »Hat sie auch seine
Frau erwähnt?«
»Gelegentlich. Aber sie
schien sich nicht weiter für sie zu interessieren, gerade weil sie
nicht auf Heirat aus war. Wie es bei Wegner damit stand, kann ich natürlich
nicht beurteilen, aber er scheint, wie soll ich sagen, sehr viel Gefühl
in dieses Porträt gelegt zu haben.«
16
Thea Pabst hatte lange überlegt,
ob sie Nelly Wegner aufsuchen sollte. Kein Zweifel, es würde eine
peinliche Situation geben, die trauernde Witwe und die Geliebte, aber der
Wunsch, das Porträt zu besitzen, war so stark, dass er ihre Skrupel
fast verdrängte. Und sie wollte dafür bezahlen, es ging ja nicht
um ein Geschenk. Zögernd drückte sie die eiserne Klinke hinunter
und betrat den dämmrigen Flur. Dort schaute sie auf den stummen
Portier. A. Wegner, i. Stock, Vorderhaus. Das Haus wirkte einfach, aber
nicht ungepflegt. Ihre Schritte schienen unnatürlich laut auf den
Holzstufen zu hallen, und sie spürte, wie ihr vor Aufregung ganz warm
wurde.
Vor der Tür holte sie
tief Luft und klopfte. Eine Frauenstimme fragte: »Wer ist da?«
»Ich heiße Thea
Pabst und würde gern mit Ihnen sprechen, Frau Wegner. Bitte haben Sie
Verständnis, auch wenn -«
Sie hörte, wie eine
Kette gelöst wurde. Die Tür schwang nach innen auf, und Nelly
Wegner erschien im warmen Lampenlicht. Sie schaute Thea verwundert, aber
nicht unfreundlich an. »Kommen Sie doch herein.«
Sie führte sie ins
Wohnzimmer, und Thea dachte unwillkürlich, hier hat er gelebt,
hierher ist er gegangen, nachdem er mit mir im Bett war. Ihre Trauer war
nicht herzzerreißend tief, aber aufrichtig, denn sie hatte eine schöne
Zeit mit ihm verbracht. Und das Bild würde sie an diese schöne
Zeit erinnern. Arnold würde auf diese Weise immer ein wenig zu ihr
gehören.
Nelly Wegner nahm gegenüber
von Thea Platz und faltete die Hände über den Knien.
Sie wirkte ruhig und gelassen, erstaunlich für eine Frau, die der
Geliebten ihres Mannes gegenübersaß. Zart, aber nicht schwächlich.
Und noch etwas fiel Thea auf: Sie wirkte eigentlich nicht wie eine
gramgebeugte Witwe.
»Was wollen Sie von
mir?«
»Es geht um das Bild,
das Ihr verstorbener Mann von mir gemalt hat. Ich würde es gern
kaufen.«
Nelly schaute sie überrascht
an. »Kaufen?«
»Ja, ich zahle einen
guten Preis dafür. Ich will nichts geschenkt.«
»Ach nein? Genau das
hat Arnold aber gewollt. Er wollte es Ihnen schenken. Wir bekamen sogar
Streit deswegen, den schlimmsten, den wir je hatten. Die Zeiten sind
schwer, habe ich zu ihm gesagt, da können wir das Geld gut
gebrauchen.«
Thea überlegte. Sie
hatten nie über eine Bezahlung gesprochen, doch sie war immer davon
ausgegangen, dass sie es kaufen müsste, wenn sie es für sich
selbst haben wollte.
»Wären Sie denn
damit einverstanden, dass ich es bekomme? Ich meine, es erinnert Sie
vielleicht -« Thea wurde ein wenig rot und biss sich auf die Lippen.
»Daran, dass Sie seine
Geliebte waren? Ach, da waren Sie nicht die Einzige«, sagte Nelly
wegwerfend. »Ich möchte es eigentlich nicht behalten. Aber Sie
müssen auch verstehen, dass ich es nicht einfach verschenken kann,
selbst wenn mein Mann es so gewollt hat.«
»Nennen Sie mir einen
Preis. Wenn ich kann, bezahle ich ihn gern. Ich weiß, als
alleinstehende Frau hat man es nicht leicht.«
Nelly Wegner lächelte plötzlich.
»Ich werde nicht mehr lange allein sein.«
Thea schaute sie fragend an.
»Nein, das nicht. Ich
werde ein Kind adoptieren, das habe ich mir seit langem gewünscht. Zu
zweit ist das Leben natürlich teurer, vor allem in heutiger Zeit.«
Thea griff in ihre Handtasche
und holte das Portemonnaie heraus. Sie zählte zehntausend Mark ab und
legte sie zwischen sich und Nelly auf den Tisch. Die Spannung, die von dem
Häufchen Papier ausging, war förmlich zu spüren.
Dann nickte Nelly und nahm
das Geld vorsichtig an sich. Sie legte es in eine Schublade in der
Anrichte, zögerte einen Augenblick und drehte sich zu Thea um.
»Die Polizei hat mir alles
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