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Tod in Blau

Tod in Blau

Titel: Tod in Blau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
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befrage, muss ich einschätzen können, inwieweit er
     sich seiner Handlungen und seiner Umgebung bewusst ist.«
    Sie schaute ihn etwas verständnislos
     an. »Sie reden aber komisch.«
    Leo lächelte
     entschuldigend. »Ich meine, versteht er, was die Leute zu ihm sagen?
     Hat er ein gutes Gedächtnis? Kann er Wahrheit und Lüge
     unterscheiden?«
    »Ach so. Eigentlich ist
     er nur langsam. Wenn ich ihm sag, er soll was tun, macht er's auch, aber
     es dauert. Dann wird sein Vater wütend. Hat keine Geduld mit dem
     Jungen.«
    Leo überlegte, wie er
     etwas Brauchbares aus der Frau herausholen konnte. »Hat er nie erzählt,
     dass er den Maler kannte?«
    Sie schüttelte den Kopf.
     »Mir erzählt er nich viel. Ich hab ja mit dem Berti zu tun, der
     hat's immer auf der Brust, dazu die ganze Näharbeit.«
    Mit anderen Worten, sie hatte
     keine Zeit für ihren älteren Sohn, der zu viel Mühe machte,
     und wusste kaum, wo er sich den ganzen Tag herumtrieb.
    Aus dem Nebenraum erklang
     lautes Jammern. Sie sprang auf und holte Berti, den sie auf ihren Schoß
     setzte. Er lehnte sich an sie, und sie streichelte ihm zärtlich
     über den Kopf. Leo musste sich beherrschen, so offenkundig war die
     ungerechte Verteilung ihrer Liebe.
    In diesem Moment klopfte es.
     Leo stand schnell auf, öffnete die Wohnungstür und sah sich
     einem etwa zwölfjährigen Jungen mit zerzaustem braunem Haar
     gegenüber. Er trug ein Brot unter dem Arm, das er vor seine Mutter
     auf den Tisch legte. Kein Zweifel, das war der Junge von der Zeichnung,
     die Leo aus der Kunsthandlung Schuster mitgenommen hatte.
    »Paul, der Kommissar
     hier is von der Polizei. Er will mit dir reden«, sagte die Mutter
     ohne Umschweife.
    Leo hätte sich lieber
     selbst vorgestellt. Er sah den Jungen freundlich an. »Ich heiße
     Leo Wechsler und möchte mich nur ein bisschen mit dir unterhalten.«
     Er überlegte schnell. »Sollen wir lieber rausgehen? Vielleicht
     gibt es irgendwo ein Café, in dem ich dir eine heiße
     Schokolade kaufen kann.« Der Junge sah ziemlich verfroren aus.
    »Hier gibt's kein Café«,
     warf die Mutter ein.
    »Wir finden schon was«,
     meinte Leo und stand auf. »Wir sehen uns sicher noch einmal, Frau Görlich.
     Auf Wiedersehen.«
    Sie hatte ihren älteren
     Sohn nicht einmal richtig angesehen, sonst wären ihr die blauen
     Lippen und rotgefrorenen Hände aufgefallen, dachte Leo, als er mit
     Paul zur Treppe ging. Er trug eine Jacke, die viel zu dünn für
     dieses Wetter und an den Ellbogen durchgescheuert war. Leo musste an
     seinen eigenen Sohn denken, der jeden Tag mit einem warmen Wollmantel und
     dem weichen, von Tante Ilse gestrickten Schal zur Schule ging.
    Unten im Hof sah ihn der
     Junge schüchtern an. »Was ist das, was du mir kaufen willst?«
    »Heiße
     Schokolade, die kannst du trinken. Sie wärmt und schmeckt ganz süß.«
    »Hab ich noch nie gehört.
     Aber Süßes gibt es in der Bäckerei um die Ecke an der
     Seestraße, wo die Elektrische fährt.«
    Leo beobachtete ihn genau,
     als er neben ihm herging. Dumm wirkte er tatsächlich nicht, aber
     Benehmen und Alter passten nicht richtig zusammen. Als
     sie an einer Gruppe Kinder vorbeikamen, rief ein Mädchen: »Paul,
     Paul, im Kopp janz faul.« Leo ging ungerührt weiter und sah
     Paul von der Seite an. Der Junge schien seinen Blick zu spüren.
    »Das rufen die immer.
     Weiß nicht, warum«, sagte er nur.
    »Weißt du denn,
     warum ich hier bin?«, fragte Leo. Sie waren inzwischen auf der
     Seestraße, er musste laut sprechen, um das Klingeln der Elektrischen
     und das Hufgeklapper der Pferdefuhrwerke zu übertönen. Der Junge
     hatte die Hände tief in die Taschen seiner verschlissenen Jacke
     gerammt und hielt den Kopf gesenkt.        
    Er zuckte nur die Achseln.
    »Es geht um den Maler
     Arnold Wegner, der gestorben ist. Wie ich höre, hast du ihn gekannt.«
    Paul schüttelte nur
     stumm den Kopf und blieb abrupt stehen. Er zeigte auf das Schild einer
     kleinen Konditorei, in deren Schaufenster eine einzige Torte und wenige
     Teilchen ausgestellt waren. Daneben hing ein Schild mit der Mitteilung:
     WIR SCHREIBEN NICHT AN.
    Leo stieß die Tür
     auf. Hinter dem Verkaufsraum befand sich ein winziger Gastraum mit drei
     Tischen, der düster und wenig einladend wirkte. Dennoch, alles war
     besser, als mit dem Jungen draußen in der Kälte oder in dieser
     unsäglichen Wohnung zu sprechen.
    »Haben Sie heiße
     Schokolade?«, fragte er die Verkäuferin. Sie

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