Tod in Blau
des Mannes missfiel.
»Ich bin Fritz Görlich.
Und was wolln Se nun von uns?«
»Kommissar Leo
Wechsler, Morddezernat. Es geht um den Tod des Malers Arnold Wegner. Er
verstarb am vergangenen Mittwoch in seinem Atelier in den Rehbergen.«
Görlich schaute sich um,
einige Nachbarn hatten neugierig die Köpfe aus den Fenstern gesteckt.
Er stellte die Karre ab, drehte sich wortlos um und winkte Leo hinter sich
her. Der Treppenaufgang war eng und feucht, die Luft zum Schneiden, weil
überall gewaschen und gekocht wurde, von den Aborten auf halber
Treppe ganz zu schweigen. Im zweiten Stock klopfte Görlich an eine
braun gestrichene Tür, von der die Farbe blätterte, und rief:
»Mach auf, Mutter!«
Eine hagere, blasse Frau mit
einem kränklich wirkenden Kind auf der Hüfte öffnete und
sah die Männer fragend an.
»Ein Kommissar von der
Polizei.«
»Aber was …?«
Leo trat einen Schritt vor.
»Guten Tag, Frau Görlich. Keine Angst, ich brauche nur eine
Zeugenaussage von Ihrem Sohn Paul.« Der Kleine auf ihrem Arm hustete
bellend, Leo schaute unwillkürlich hin.
»Was hat der denn mit
'nem Kerl aus den Rehbergen zu schaffen?«, blaffte ihr Mann.
Leo spürte die rohe
Gewalt, die von ihm ausging, und dachte lieber nicht daran, was dem Jungen
blühen würde, wenn er seine Befragung beendet hatte. Er wusste,
dass Familiendramen in der qualvollen Enge der Mietskasernen an der
Tagesordnung waren. Und Paul war offenbar das schwächste Glied in
dieser Familie.
»Uns liegt eine
Zeugenaussage vor, nach der Ihr Sohn den Maler recht gut gekannt hat. Er
war häufiger dort zu Besuch.«
»Verdammtes Aas«,
knurrte Görlich. »Ich hab's geahnt, der treibt sich nur rum,
wenn ich nich aufpasse. Kegelaufstellen reicht nich, Mutter, der muss in
die Fabrik.«
Er war so laut geworden, dass
ein verschlafener Kopf hinter der Frau auftauchte. Der unrasierte Mann knöpfte
sich das Hemd zu und zog die Hosenträger hoch. »Wat is denn det
fürn Lärm? Wie soll da eener schlafen?«, beschwerte er
sich.
Frau Görlich trat
entschuldigend beiseite. »Unser Schlafbursche, Herr Kommissar. Er
teilt sich das Bett mit dem Paul.«
»Und det is teuer
jenuch«, maulte der Mann und drängte sich an Vermieterin und
Leo vorbei in den Korridor. »Ick jeh woanders schlafen. Und wenn det
so weiterjeht, bin ick zum Ersten wech.«
»Dürfte ich bitte
hereinkommen?«, fragte Leo höflich, aber bestimmt. Frau Görlich
trat zur Seite und warf ihrem Mann einen fragenden Blick zu.
»Der Junge kommt
gleich, hab noch zu tun. Kann ich jetzt gehn?«
Leo nickte. Vermutlich würde
Paul ohnehin offener sprechen, wenn sein Vater nicht dabei war. »Wenn
ich Fragen an Sie habe, werde ich mich bei Ihnen melden.«
Görlich stapfte wortlos
davon. Seine Frau schloss die Tür und bot Leo einen Platz auf dem
einzigen Stuhl an, der nicht mit Bergen von Kleidung und Wäsche
bedeckt war. Er schaute sich unauffällig um. Er kannte solche
Wohnungen und war doch immer wieder fassungslos. Das Zimmer war Küche
und Wohnstube in einem, außerdem stand in einer Ecke das Bett, das
sich Paul mit dem Schlafburschen teilen musste. Herd und Schrank drängten
sich an einer Wand, in der Ecke stand ein kleiner Tisch mit Nähutensilien.
In einem Regal stapelte sich zusammengewürfeltes Geschirr, nicht
einmal das übliche Hochzeitsservice war zu entdecken. Nur ein
besticktes Handtuch mit einem Sinnspruch zeugte vom vergeblichen Bemühen,
den Raum ein wenig wohnlicher zu gestalten.
In der Mitte befand sich der
rohe Holztisch, an dem er Platz genommen hatte. Frau Görlich öffnete
eine Tür und schob den kleinen Jungen in eine winzige Schlafkammer,
die zwei Betten, eine Nähmaschine und einen schmalen Schrank
enthielt. »Spiel ein bisschen, Berti, Mutti hat zu tun.«
Dann nahm sie einen Stapel Wäsche
von einem der Stühle und setzte sich. Sie war gewiss nicht älter
als Mitte dreißig, sah aber aus wie eine alte Frau.
Dunkle Schatten um die Augen, resignierter Blick, rotgescheuerte Hände.
»Was ist denn nun mit dem Paul?«
Leo räusperte sich.
»Man sagte mir, er sei geistig zurückgeblieben.« Die Eröffnung
war brutal, aber er wollte sehen, wie sie darauf reagierte.
Frau Görlich biss sich
kurz auf die Lippen und zuckte dann die Achseln. »Und wenn?«
»Ich will weder Sie
noch Ihren Sohn beleidigen. Es geht mir nur um seine Glaubwürdigkeit.
Wenn ich ihn
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