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Tod in Blau

Tod in Blau

Titel: Tod in Blau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
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erst
     einmal gar nichts. Georg hielt im Schreiben inne, schaute aber nicht auf.
    Sein Vater warf einen Blick
     auf die Arbeit. »Schriftliches Dividieren?«
    Georg nickte.
    »Fällt dir das
     schwer?«
    Achselzucken.
    »Damit habe ich früher
     auch Probleme gehabt«, sagte Leo vorsichtig. Er erinnerte sich mit
     Grauen an die Nachmittage, an denen er über den Hausaufgaben gebrütet
     hatte, vor allem während seiner Gymnasialzeit. Er hatte darum gekämpft,
     statt der Volksschule das Gymnasium zu besuchen, was seinen Eltern sehr
     schwergefallen war. Doch ohne Abitur hätte er nie Kommissar werden können,
     die meisten seiner Kollegen hatten sogar studiert. Dafür hatte das
     Geld bei Wechslers dann doch nicht gereicht.
    Und anders als die Väter,
     die Rechtsanwälte und Ärzte waren, konnten seine Eltern ihm
     nicht bei den Schulaufgaben helfen. Auch die Lehrer ließen ihn mehr
     als einmal spüren, dass der Sohn eines Gemüsehändlers aus
     Moabit eigentlich nichts in ihrer Klasse zu suchen hatte. Leo würde
     nie vergessen, wie sein Vater einmal in Hemdsärmeln vor ihm
     gestanden, einen Blick auf die Algebraaufgaben geworfen und achselzuckend
     gesagt hatte: »Ich kann mit Kartoffeln und Birnen rechnen, aber
     nicht mit Buchstaben.«
    »Es tut mir leid«,
     sagte Leo leise. Warum fiel es ihm manchmal so schwer, sich zu
     entschuldigen? Auch Kinder hatten ein Recht auf eine Entschuldigung, das
     war immer sein Prinzip gewesen, und er konnte Ungerechtigkeit in der
     Familie ebenso wenig ertragen wie bei der Arbeit.
    »Schon gut.«
    »Nein, ist es nicht.
     Aber du hättest mich fragen können, dann hätten wir
     zusammen geübt.«
    »Du hast immer so viel
     zu tun, da wollte ich dich nicht stören.«
    Leo legte Georg die Hand
     unters Kinn und drehte seinen Kopf so, dass der Junge ihn anschauen
     musste. »Selbst wenn ich schlechte Laune habe, sollte ich dich nicht
     so anfahren. Du hast eine Arbeit in den Sand gesetzt, das kann passieren.
     Ist bei mir auch vorgekommen. Aber du musst mir versprechen, mich rechtzeitig zu fragen, wenn du
     noch mal etwas nicht verstehst, ja? Egal, wie anstrengend mein Tag im Büro
     war. Und in die Urania gehen wir trotzdem. Einverstanden?«
    Georg nickte und schob ihm
     das Schulbuch hin. Leo rückte näher an ihn heran und begann,
     seinem Sohn das schriftliche Dividieren zu erklären.

 
    20
    Das Wetter war ebenso trüb
     wie die politische Stimmung. Die neue Reichsregierung unter Kanzler Cuno
     hatte beschlossen, um einen Aufschub der Reparationszahlungen zu bitten,
     mit der Begründung, dass es die Inflation unmöglich mache, die
     Zahlungen zu erbringen. Frankreich und England warfen der deutschen
     Wirtschaft vor, die Geldentwertung absichtlich in die Höhe zu
     treiben, um sich vor den Reparationen zu drücken. Die Franzosen
     drohten mit einer Besetzung des Ruhrgebiets, falls die Zahlungen nicht
     wieder aufgenommen würden. Bäckereien wurden geplündert,
     Menschen protestierten gegen Wucherpreise bei Lebensmitteln, und in Moabit
     demonstrierten Hausfrauen vor Betrieben, die den Ehemännern besonders
     schlechte Löhne zahlten.
    Auch der herannahende Winter
     machte den Menschen Angst. Woher sollten sie Holz und Kohle nehmen? Wer
     keinen Schrebergarten besaß und rechtzeitig Obst und Gemüse
     eingekocht hatte, musste fürchten, in der kalten Jahreszeit zu
     hungern.
    Robert Walther gehörte
     zu den Glücklichen, die einen Schrebergarten und damit auch einen
     Keller voller Einmachgläser mit Bohnen, Pflaumen und Stachelbeeren,
     Schütten mit Kartoffeln und Regale mit Äpfeln und Kohlköpfen
     besaßen. Er hatte einer Nachbarin einen Teil seiner Ernte
     versprochen, wenn sie für ihn mit einkochte, was die Frau, die selbst
     keinen Garten, dafür aber eine große Familie besaß,
     bereitwillig getan hatte.
    Als er Fräulein Meinelt
     an diesem Morgen ein Glas Pflaumen auf den Schreibtisch stellte, schaute
     sie lächelnd hoch.
    »Das ist aber nett,
     Herr Walther. Die esse ich warm mit Eierkuchen.«
    »Klingt gut.« Er
     deutete mit dem Kopf auf die Tür. »Ist der Herr Kommissar zu
     sprechen?«
    »Ja, er erwartet Sie
     schon. Ich bringe gleich Kaffee.«
    Er klopfte an und trat ein.
     Leo blickte von dem Bericht auf, den er gerade las, und deutete auf den
     Stuhl gegenüber. Er tippte mit dem Finger auf die Blätter, die
     vor ihm lagen. »Du meinst also, Frau Wegner hat nichts mit dem Mord
     zu tun.«
    Walther wog die Antwort sorgfältig
     ab. »Ganz

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