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Tod in Blau

Tod in Blau

Titel: Tod in Blau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Goga
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Backsteinfestung mitten in Berlin, in die niemand gern oder auch nur
     freiwillig hineinging. Und trotzdem war sie hier. Der kalte Wind zerrte an
     ihren Mantelschößen, sie zog den Kragen enger ums Gesicht. Sie
     hatte ein Schild an die Praxistür gehängt, dass sie heute wegen
     einer wichtigen Besorgung später öffnen würde. Die Sache
     mit dem Jungen ließ ihr einfach keine Ruhe. Er hatte so seltsam und
     doch überzeugend geklungen. Wenn sie nichts unternahm und ihm etwas
     zugestoßen war, würde sie sich das nie verzeihen. Aber welche Abteilung
     mochte dafür zuständig sein?
    Sie trat durchs Mittelportal
     und schaute ein wenig ehrfürchtig zu dem gewölbten Glasdach
     empor, das in schwindelnder Höhe den langgestreckten Innenhof überspannte.
     Die Rundbogenfenster der vier Geschosse, die nach oben immer kleiner
     wurden, blickten auf die gepflasterte Durchfahrt hinunter.
    Ein Schutzpolizist kam ihr
     entgegen. Madga Schott trat auf ihn zu und schilderte ihm ihr Anliegen. Er
     erbot sich, ihr den Weg zu zeigen, und führte sie durch ein schier
     endloses Labyrinth von Gängen, bis sie vor einer dunklen Holztür
     stehen blieben. »Immer rin, die Dame.« Er verbeugte sich knapp
     und verschwand.
    Magda klopfte und wartete,
     bis man sie hereinbat. Hinter einem Tresen saß ein Schupo mit
     gewaltigem Schnurrbart, ein Relikt aus Kaisers Zeiten. Er schaute sie
     wohlwollend an. »Was kann ich für Sie tun, gnädige Frau?«
    Magda wiederholte ihre
     Geschichte, worauf sie der Mann schon ein wenig skeptischer betrachtete.
     Natürlich, das alles hörte sich recht eigenartig an, wenn man
     den Jungen nicht selbst erlebt hatte, aber sie war fest entschlossen, das
     Präsidium nicht unverrichteter Dinge zu verlassen.
    »Mal langsam, werte
     Dame, Sie wollen mir erzählen, dass ein fremder Junge zu Ihnen kommt,
     weil er sich verfolgt fühlt, und seine Eltern haben keine Ahnung
     davon?«
    Sie räusperte sich.
     »In gewisser Weise ja. Ich sollte etwas tun, damit der Mann weggeht.«
    Der Schupo tippte sich an die
     Stirn. »Nicht alle Tassen im Schrank, was?«
    Sie nickte und hatte dabei
     ein schlechtes Gewissen. »Manche Leute mögen es so nennen. Er
     ist ein bisschen langsam, das ist wahr. Aber er schien sich tatsächlich
     vor jemandem zu fürchten, das kann man doch nicht auf sich beruhen
     lassen. Er sagt, dieser Mann folge ihm überallhin.
     Und dann war da dieser Wagen …«
    Der Schupo zwirbelte
     gedankenverloren seinen Schnurrbart und drehte in der anderen Hand bedächtig
     einen Bleistift mit silbernem Verlängerer. Dann schüttelte er
     den Kopf. »Werte Dame, ich wüsste nicht, an welche Abteilung
     ich Sie verweisen soll. Es liegt kein Raub vor, keine Erpressung, keine Körperverletzung,
     nichts.« Er drehte fragend die Hände nach außen. »Wissen
     Sie, wie viele echte Verbrechen jeden Tag in Berlin passieren? Da bleibt
     keine Zeit für Jungen, die von schwarzen Männern verfolgt
     werden.«
    Magda überlegte
     fieberhaft. Sie spürte, er war kurz davor, sie höflich, aber
     bestimmt zur Tür hinauszukomplimentieren. Dann kam ihr die rettende
     Idee.
    »Ich weiß aber,
     mit wem ich gern darüber sprechen würde. Wo finde ich Kommissar
     Leo Wechsler?«
    *
    Thea Pabst lief im Zimmer auf
     und ab, setzte sich auf die Sofakante, sprang wieder auf und lief weiter.
     Sie zündete sich nervös eine Zigarette an, nahm einen tiefen
     Zug, rauchte sie aber nicht zu Ende und ließ sie ausgedrückt
     mit rotem Lippenstiftring im Aschenbecher liegen. Dann holte sie sich
     einen Becher Muckefuck aus der Küche und nahm ihr Umherwandern wieder
     auf.
    Schließlich wurde es
     Stephan, der in einem Kimono lesend auf dem Sofa lag, zu viel. Er warf die
     Zeitung auf den Boden und setzte sich auf. »Kannst du mir bitte
     verraten, was dich gestochen hat? Du rennst umher wie ein krankes
     Karnickel, so was habe ich ja noch nie erlebt. Du hast doch dein Porträt
     bekommen.« Er blickte zu dem Bild, das Thea über die Anrichte
     gehängt hatte und auf das sie jeden Besucher aufmerksam machte, der
     sich nicht von selbst dazu äußerte. »Willst du mir etwa
     weismachen, Wegners Tod nähme dich so sehr mit, dass du dich nicht
     einmal auf unser neues Programm konzentrieren kannst? Seit drei Tagen will ich
     mit dir darüber sprechen und muss mich ständig vertrösten
     lassen. Dieser Berger vom Central-Varieté findet mich zwar
     unglaublich süß, aber selbst er wird nicht ewig auf unsere
     Entscheidung

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