Tod in Blau
auszuschließen ist es nicht, aber ich halte es für
ausgesprochen unwahrscheinlich. Der zeitliche Ablauf passt nicht, und
erinnere dich an ihre Reaktion in den ersten Tagen - die wirkte nicht
gespielt.«
»Du warst aber der
Erste, der damals Zweifel angemeldet hat«, gab Leo zu bedenken.
Walther nahm dankend die
Kaffeetasse entgegen, die Fräulein Meinelt hereingebracht hatte.
»Das stimmt, aber ihre
Version der Adoptionsgeschichte hat mich überzeugt. Sie macht nicht
den Eindruck einer Verrückten, die ihren Mann töten würde,
nur damit sie ein Kind annehmen kann. Das geht gegen mein Gefühl.«
»Auf unser Gefühl
können wir uns nicht immer verlassen, das weiß ich selbst am
besten«, meinte Leo ein wenig bitter, da er an den
Sonntagnachmittagskaffee mit Bruno Schneider dachte.
Walther lehnte sich zurück
und schaute an die Decke. Solange die Kollegen nicht da waren, konnten sie
ruhig ein paar private Worte wechseln. »Wann soll der Zugriff
erfolgen?«
Leo seufzte. Ȇbermorgen.
Sie haben einen Verbindungsmann, der von Malchow und seine Leute über
eine Waffenlieferung informiert hat. Der Treffpunkt ist irgendwo am
Schlesischen Bahnhof. Bei der Gelegenheit wollen sie ihn verhaften.«
»Noch zwei Tage, dann
ist das Warten vorbei«, sagte Walther vorsichtig.
Leo schlug unvermittelt mit
der Hand auf den Tisch. »Und dann? Du solltest Ilse erleben, sie ist
völlig verändert. Fröhlicher, verständnisvoller. Und
am Samstag soll alles wieder vorbei sein?«
»Du kannst dir nicht
jeden Schuh anziehen, Leo. Der Mann ist ein Krimineller, das ist nicht
deine Schuld, das muss selbst Ilse einsehen. Und sie braucht ja nicht zu
erfahren, dass du vorher davon gewusst hast.«
Was natürlich stimmte.
Aber das half nicht, den Aufruhr in seinem Inneren zu beschwichtigen. Er
wollte sich unbedingt mit Clara treffen, doch wie konnte er ruhig mit ihr
sprechen, solange er nicht wusste, was aus seiner Schwester wurde? Als es
klopfte, schob er entschlossen den Stuhl zurück und bat die Kollegen
herein. Doch nur Berns kam ins Zimmer, gefolgt von Fräulein Meinelt
mit einem Tablett, auf dem zwei Tassen und eine Kanne standen.
Berns begrüßte
Leo. »Der Kollege Stahnke lässt sich entschuldigen, er kommt
gleich nach.«
Leo trat an die Wandtafel, in
deren Mitte er den Namen ARNOLD WEGNER geschrieben hatte. Darum herum
waren Angaben zu Tatort, Tatzeit, Ergebnissen der rechtsmedizinischen
Untersuchung und Spurensicherung zusammengestellt. Auf einer Liste waren
die identifizierten Fingerabdrücke aufgeführt, hinter den
bislang unbekannten standen Fragezeichen. Leo klammerte nun die Worte
NELLY WEGNER -ADOPTION ein, ohne sie jedoch wegzuwischen.
»Robert, würdest
du Berns bitte auf den neuesten Stand bringen?«
Walther rekapitulierte seine
Ermittlungen in Sachen Nelly Wegner und berichtete, er sei zu der Ansicht
gelangt, der Wunsch nach einem Kind biete kein ausreichendes Motiv für
einen derart brutalen Mord.
»Nun, meine Herren, fürs
Erste konzentrieren wir uns auf Ulrich von Mühl und seine
Asgard-Gesellschaft. Weitere Anhaltspunkte gibt es zurzeit leider nicht.«
Da trat Stahnke ein, grüßte
in die Runde und reichte Leo einen Zettel. »Für Sie, Herr
Kommissar. Den hat mir eben jemand vor dem Präsidium zugesteckt.«
Leo entfaltete den Zettel, las ihn und warf ihn in den Papierkorb. »Meine
Herren, ich muss unsere Besprechung leider auf heute Mittag verschieben.
Glücksrad-Adi will mich sprechen.« Er nahm seinen Mantel vom
Haken und verließ das Büro.
»Kann mir mal einer
sagen, wer das nun wieder sein soll?«, meinte Berns und schaute
fragend in die Runde.
*
Eine Straßenbahn fuhr
klingelnd vorbei, die Menschen drängten sich auf der Alexanderstraße
und schienen es, wie meistens in Berlin, furchtbar eilig zu haben. Hinzu
kam die schneidende Kälte, die jedem Beine machte. Vor dem
Haupteingang des Polizeipräsidiums saß ein beinamputierter
Bettler, neben sich ein Brett mit Rollen, auf dem er sich wohl
fortzubewegen pflegte. Er trug ein Schild um den Hals: KRIEGSVERSEHRT UND
OBDACHLOS. Magda Schott warf ihm hundert Mark in den Hut und ging weiter,
ohne auf ein Dankeswort zu warten. Der Mann griff mit blaugefrorenen
Fingern nach dem Schein und stopfte ihn in seine verschlissene Jacke.
Das Polizeipräsidium kam
ihr immer ein wenig furchteinflößend vor, eine rote
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