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Tod in Bordeaux

Tod in Bordeaux

Titel: Tod in Bordeaux Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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beim Pulver wird gepanscht.» Martin machte eine Pause und sah Charlotte nachdenklich an. «Da ist noch etwas. Du kennst dich doch mit den Bordelaiser Familien aus ... Über Garenne und seine politischen Ambitionen weißt du ja auch einiges ...»
    «Na, ein wenig, aber ich soll mich ja nicht einmischen...»
    Martin ächzte. «So war das nicht gemeint. Du bist nur ungeheuer schnell. Bevor ich den Gedanken zu Ende gedacht habe, bist du schon bei der Ausführung. Ich will lediglich etwas wissen, aber du sollst nichts tun, verstehst du?»
    Charlotte nickte ergeben und tat, als beschäftigte sie sich intensiv mit den Fischen.
    «Gestern auf Haut-Bourton meinte Garenne, dass seine Familie das Château seit etwas mehr als 60 Jahren besitzt. Das hat mich verwundert. Entweder gehören die großen Châteaus Kapitalgesellschaften, oder sie sind seit Jahrhunderten im Besitz derselben Familie. Hast du eine Ahnung, wem Haut-Bourton früher gehört hat? Die Sammlung silberner Antiquitäten scheint mir bedeutend älter.»
    «Bis wann musst du das wissen?»
    «Lieber heute als morgen. Ich habe es auch schon Grivot gefragt. Es könnte wichtig sein, mir kam da so eine Idee ... 60 Jahre, das war mitten im Zweiten Weltkrieg, da war Frankreich schon besetzt... Oh, halt, das nicht...»
    Charlotte war im Begriff, Flossen und Haut in den Topf für den Fond zu geben. «Das nicht, der Fond könnte bitter werden. Und bring die Fische nicht durcheinander, sie haben alle unterschiedlich lange Garzeiten, der Seehecht braucht länger als der Heilbutt. Ich lege immer die Köpfe neben das Filet oder schreibe mir einen Zettel.»
    «Woher kannst du das?»
    «Was, das Schreiben oder das Kochen?», frotzelte Martin. Wie ließ sich Charlotte aus der Reserve locken? Er würde zu gerne wissen, wie sie tatsächlich war. Sie tat so gesetzt, so überlegen - aber war sie das wirklich? Nach außen wirkte sie abgebrüht, aber je genauer er sie beobachtete, desto klarer wurde ihm, dass vieles sie tatsächlich berührte. Ihre Raubeinigkeit war Fassade, der Zynismus eine Maske, ihre Gleichgültigkeit antrainiert - Schutz im Ministerium, wo alle mit dem Messer in der Tasche herumliefen, kaum jemand wusste, was vom anderen zu halten war, wo jeder Fehler, jede Schwäche in sich die Gefahr bargen, den Job zu verlieren. So hatte sie selbst es an jenem missglückten Abend in Paris dargestellt, und als er beiläufig gefragt hatte, warum sie es dann machte, war sie ausgeflippt, aufgestanden und gegangen. Es stand ihr anscheinend bis ganz oben.
    Aber da Charlotte nicht auf seine Witzelei einging und er keine Lust hatte, zum soundsovielten Mal zu erzählen, dass seine Mutter das Gegenteil einer Küchenfee war und er mit allerlei Gewürzen das Aufgewärmte essbar gemacht hatte, kehrte er zum aktuellen Thema zurück. «Die Muscheln und Krevetten pochiere ich vorher», sagte er, als sie unvermittelt herausplatzte:
    «Ich habe gekündigt!»
    «Du hast was?»
    «Ist das so schwer zu verstehen?» Charlotte drehte sich um, stemmte die Fäuste in die Hüften. «Gekündigt, hingeschmissen, die Nase voll, abgedankt, Ende meiner Vorstellung.» Die Worte kamen in rascher Folge. «Sollen andere meinen Job machen, es findet sich immer jemand, ich weiß, auch bereits wer. Ich mache jedenfalls nicht weiter, basta. Ich habe einen Brief an den Minister geschrieben und um meinen Abschied gebeten. Ich werde höchstens noch ein halbes Jahr im Ministerium bleiben.»
    «Und dann?» Martin stand mit offenem Mund vor ihr, den Fenchel in der einen Hand, ein Küchenmesser in der anderen, und schaute sie blöd an.
    «Wie, und dann? Mir langt’s. Ich werde sehen, was kommt. Wundert dich das? Wir haben uns neulich mit diesem Thema den Abend verdorben. Ich habe dir gut zugehört, sehr gut sogar. Du hattest Recht. Wenn das Wasser schmutzig ist, muss man es wegschütten, auch wenn man noch kein frisches hat. Man verdurstet oder findet frisches.»
    Im Grunde hatte Martin mit dieser Reaktion gerechnet, zumal ihr die Überzeugung fehlte und sie weder Gaullisten noch Sozialisten wirklich nahe stand. Nur dass es so schnell gehen würde, das hatte er nicht erwartet. Vielleicht würde er sie von jetzt an ganz in der Nähe haben, die Vorstellung gefiel ihm gut - aber stopp, weder lebte er in Saint-Émilion, noch wusste er, ob Charlotte vorhatte, aufs Land zurückzugehen.
    Er legte den Fenchel aus der Hand. «Ich finde es gut, Glückwunsch. Eigentlich habe ich das von dir erwartet, so, wie ich dich kennen gelernt

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