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Tod in Bordeaux

Tod in Bordeaux

Titel: Tod in Bordeaux Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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Auch Frau Schnor hatte schlechte Nachrichten: Zwei Lieferungen für Restaurants und einen großen Event ließen seit Tagen auf sich warten, die Kunden machten verständlicherweise Druck. Was dem Ganzen die Krone aufsetzte, war, dass für Anfang nächster Woche eine Prüfung vom Finanzamt angesetzt war. Musste er dabei sein, oder konnte er das dem Steuerberater überlassen?
    Dummerweise war es genau der Zeitpunkt, an dem der Wein von der Maische genommen und diese gepresst werden musste. Vom Presswein konnte er dem Vorlaufwein, je nachdem, wie er ausgefallen war, etwas hinzugeben, um Farbstoff und Gerbsäuregehalt zu steuern. Was war wichtiger? Der Wein, sein Betrieb oder Garenne, der jetzt bereits zwei Menschen auf dem Gewissen hatte, denn wer sonst hätte ein Interesse haben können, den Algerier aus dem Verkehr zu ziehen?
    Bei all den offenen Fragen gab es zwei Lichtblicke: Charlotte und Gastons Wein. Der Pechant wurde von Tag zu Tag besser, die Arbeit in der Garage ließ ihn alles um sich herum vergessen. Er fühlte sich sicherer und hatte das Gefühl, endlich einmal in seinem Leben etwas zu schaffen, statt nur einzukaufen und dafür zu sorgen, dass die Ware schnellstmöglich den Laden verließ. Wenn er jedoch Pause machte und sich auf den Schemel in der Garage setzte, kam die Angst wieder. Die Drohung, ihn ‹endgültig fertig zu machen›, falls er nach Bordeaux zurückkehren würde, konnte jederzeit Realität werden.
    Er beschloss, den Film vom Vorabend zum Entwickeln nach Libourne zu bringen, dort gab es einen Fotografen mit einem Labor, und er konnte gleichzeitig den Wochenendeinkauf erledigen. So kam er auch ein wenig raus, aber die schwarzen Gedanken ließen sich nicht abschütteln. Dieser Grivot interessierte sich einen Dreck dafür, ob sie ihm den Schädel einschlugen. Die Erinnerung an die Schläger kam wieder hoch und mit ihr dieses ekelhafte Ziehen vom Hals bis in den Magen. Aber aufgeben war die schlechteste Lösung. Er tastete nach dem Revolver in der Jackentasche und fühlte sich gleich besser. Wenn er auf der Abschussliste stand, bestand seine Rettung einzig und allein darin, den Kopf des Ganzen zu finden. Wenn nicht, was dann? Dann ging auch Garennes Betrug weiter, weltweit. Welcher Schaden sowohl den Winzern wie auch den Händlern des Bordelais daraus entstehen würde, war in Geld nicht zu messen. Der Glykolskandal in Österreich fiel ihm ein, er lag sehr lange zurück; aber Österreichs Winzer hatten nach mehr als zehn Jahren noch immer nicht ganz das damals verlorene Vertrauen zurückgewonnen. Glykol hatte eine elend lange Halbwertzeit.
    Als er nach Saint-Émilion zurückkam, rief er Grivot aus Gastons Büro an. Eine halbe Stunde dauerte das Telefonat, danach stürzte er wutentbrannt aus dem Raum - und prallte im Flur mit Charlotte zusammen. Sie war nach ihrer Ankunft aus Paris gleich herübergekommen und brannte vor Neugier, denn ihr Vater hatte ihr alles über den Zwischenfall vor der Garage und die Verfolgungsjagd erzählt.
    Martin war viel zu erregt, um sich über ihr plötzliches Erscheinen richtig zu freuen. Stattdessen ließ er Dampf ab: «Der Mann geht mir auf die Nerven», zischte er, nachdem er sie begrüßt hatte. «Was tut dieses Würstchen den ganzen Tag? Es wäre seine Aufgabe, nach dem Auftraggeber für den Mord an Gaston zu suchen, nicht meine. Was macht eure Polizei eigentlich?»
    «Na ja, eure hat sich auch nicht gerade bemüht. Bislang habe ich nicht von dir gehört, dass sie nach den Männern fahndet, die dich verprügelt haben, Martin. Die Polizei arbeitet im Stillen», sagte Charlotte vieldeutig.
    Martin war sich nicht sicher, ob sie ihn beruhigen oder auf den Arm nehmen wollte. «Allerdings sehr im Stillen, das ist wahr. Grivot meint, dass ich zu weit ginge, ich hätte ihm keine Anweisungen zu geben.»
    «Sicher hast du ihn provoziert. Unsere Beamten sind da überaus empfindlich. Was hast du gesagt?»
    «Weshalb er diesen Richard Charcoussette nicht einfach fragt, wo er gestern Abend gewesen ist», antwortete Martin.
    «Wer ist Charcoussette?»
    «Auf ihn ist der Renault zugelassen, mit dem die beiden Kerle letzte Nacht gekommen sind. Er wohnt in Arsac.» Martin wurde langsam ruhiger. Er winkte Charlotte in die Küche und holte die Fische für die Bouillabaisse aus dem Kühlschrank. «Isst du mit?»
    Charlotte nickte. «Gerne.» Sie überlegte einen Moment. «Ich kenne Arsac, es ist ein Dorf auf der Rive Gauche, drüben, in der Nähe von Margaux, nicht weit von

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