Tod in Bordeaux
Charlotte beugte sich vor und ließ dabei ihre Hand, wo sie war.
Bichot drehte sich um, musterte den Campinganhänger wie ein unbekanntes, gefährliches Tier, bis von innen jemand den Vorhang bewegte, dann wandte er sich wieder der Garage zu. Er musterte die Eisentür, als suche er etwas - sein Blick blieb an der Kamera links oben hängen. Er hielt inne, sah nach rechts und entdeckte das zusätzliche Blitzgerät und die Lautsprecherbox.
Da schwang die Tür des Campinganhängers auf, Bernard und Antoine sprangen nacheinander ins Freie wie Fallschirmspringer aus einem Flugzeug. Unwillkürlich musste Martin bei dem martialischen Anblick lachen. Bichot fuhr zusammen, einen Augenblick lang hatte es den Anschein, als wolle er wegrennen, doch er besann sich und wurde wieder zu der souveränen Persönlichkeit, die man kannte, und ging weiter.
«Monsieur! Bleiben Sie stehen!», rief Antoine scharf und lief hinter ihm her. «Das hier ist Privatgelände!»
Charlotte wollte sich an Martin vorbeidrängen, er hielt sie zurück. «Bleib. Ich will sehen, was passiert», raunte er ihr zu. «Der geht so zielstrebig vor, als wüsste er, was er sucht.»
Antoine und Bernard nahmen Bichot in die Mitte, der abwehrend die Hände hob und ein empörtes Gesicht machte, etwa so, als hätte er nicht nur auf Grandville, sondern auch hier das Kommando.
«Immer mit der Ruhe, Messieurs. Ich bin ein Freund des Hauses. Ich nehme an, Monsieur Bongers ist in der Garage. Mit ihm möchte ich sprechen.»
«Siehst du?», flüsterte Charlotte, «also von wegen etwas gewusst. Der will zu dir.»
«Das werden wir noch sehen», knurrte Martin und trat aus der Tür. «Ah, da sind Sie ja», sagte Bichot strahlend, schob die Bewacher wie Ungeziefer beiseite und ging mit ausgestreckter Hand auf Martin zu. «Was ist passiert? Ist das hier Sperrgebiet? Man wird ja bei Ihnen behandelt wie ein Einbrecher.» Mit einem gequälten Lachen versuchte er, seine Verunsicherung zu überspielen.
»Tut mir ausgesprochen Leid, Monsieur Bichot, guten Tag. Aber wir haben zu viel Ärger gehabt, Madame Latroye und ich ...»
«Ärger? Was ist geschehen? Warum kommen Sie damit nicht zu mir? Ich hatte Sie doch schon bei meinem letzten Besuch eingeladen. Ich kann Ihnen bestimmt helfen. Geht es um den Wein oder um etwas anderes? Oh - Madame Bertrand, das überrascht mich aber.» Bichot hatte Charlotte in der Tür entdeckt. «Ach ja, ich vergaß, Sie sind Nachbarn. Urlaub von der Pflicht fürs Vaterland?» Er beugte sich galant über Charlottes Hand und führte sie bis fast an die Lippen. «Selbst dieses Outfit kann Ihnen nichts anhaben. Sie sehen bezaubernd aus.» Trotz der schönen Worte hatte Martin den Eindruck, dass Bichot das Auftauchen der Staatssekretärin gar nicht recht war.
Bichot zog den Hut tiefer in die Stirn. «Lassen Sie mich nicht im Regen stehen, Monsieur Bongers. Erklären Sie mir drinnen, was das alles zu bedeuten hat. Ihre Aufpasser?» Er zeigte auf Antoine und Bernard und schüttelte den Kopf. «Kameras über der Tür ... vielleicht sogar ... Selbstschussanlagen ...»
Das letzte Wort hatte er auf Deutsch gesagt, und Martin erklärte Charlotte die Bedeutung.
Sie reagierte ernst und sachlich: «Monsieur Bichot, diese polemische Bemerkung geht ein wenig an der Wirklichkeit vorbei. Diese Maßnahmen sind notwendig. Nach den Ereignissen der Vergangenheit könnten Sie etwas mehr Verständnis für unsere Besorgnis aufbringen. Es gibt bereits zwei Tote, einen Einbruch während der Beerdigung von Monsieur Latroye, und in der vergangenen Nacht hat man versucht, in die Garage einzubrechen, Monsieur Bongers ist überfallen und misshandelt worden ...»
«Wie bedauerlich. Davon scheint er sich inzwischen ja ganz gut erholt zu haben», unterbrach Bichot, tat es mit einer Handbewegung ab und strebte auf die Garage zu. «Gott sei Dank», schob er geistesgegenwärtig nach, als er Charlottes verständnislosen Blick auf sich ruhen fühlte.
«Eigentlich ist der Anlass meines Besuches rein positiver Natur. Ich bin gekommen, um mein Angebot an Sie, Monsieur Bongers, zu erneuern. Ich möchte Sie auf Grandville sehen. Und ich interessiere mich sehr für Ihren Pechant, es ist ja wohl mittlerweile der Ihre, wenn Sie ihn so konsequent verteidigen. Aber so sind die Deutschen. Wenn sie sich was in den Kopf setzen, müssen sich alle anderen zusammentun, um sie aufzuhalten.» Bichot kicherte gekünstelt, was deutlich machen sollte, dass diese Äußerung nicht als Beleidigung aufzufassen
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