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Tod in Bordeaux

Tod in Bordeaux

Titel: Tod in Bordeaux Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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seine Brille auf und faltete das Papier auseinander. Hunderte dieser Dokumente hatte er in Händen gehabt, sie ausgefüllt, gestempelt, sie dem Zoll und wieder zurück an die Winzer geschickt. Es war der Nachweis für nicht zu entrichtende Mehrwertsteuer für Lieferungen aus EU-Ländern. Den Winzern dienten sie als Beleg, dass und an wen sie den Wein verkauft hatten. Die Aktenordner mit diesen Zetteln mussten kilometerlange Gänge füllen. Ob sie tatsächlich jemand prüfte?
    Als Absender firmierte ein Château Moulin de la Vaux in Belvès-de-Castillon. Davon hatte Martin gehört; Belvès, so viel wusste er, lag östlich von Saint-Émilion an der Dordogne, wahrscheinlich gehörte es zur Appellation Castillon. Die Weine von dort waren nicht schlecht, aber auch nichts Besonderes. Caroline würde den Ort sicher kennen, Monsieur Jerome, der Nachbar mit der unnahbaren Tochter, bestimmt auch. Martin sah sie vor sich, ihr feines Gesicht, die wachen Augen, das glatte braune Haar und ganz besonders ihren Nacken ... sie wirkte so kühl und distanziert, aber sie gefiel ihm. Ein Hupkonzert riss ihn aus seinem Tagtraum. Er ließ den Motor an, fuhr fünfzig Meter weiter, nur um ihn wieder abzustellen. Bordeaux im Feierabendchaos.
    Er las weiter. Es handelte sich also nicht um den Haut-Bourton, sondern um einen einfachen Bordeaux Superieur, der an eine Hamburger Firma, wahrscheinlich im Freihafen, geliefert worden war. Das ließ sich herausfinden. Auch die Spedition war erwähnt, sie wickelte einen großen Teil der Importe aus Frankreich ab, und auch Martin hatte die Firma schon für Transporte herangezogen.
    Das Datum und die Zeit der Abholung waren ebenfalls vermerkt - Montag, drei Tage nach Gastons Tod, 8 Uhr 30. Martin legte die Brille aufs Armaturenbrett und rieb sich die Augen. War es möglich, dass Gastons Tod kein Unfall war?
    Die Lieferung war mit 6000 Flaschen angegeben. Die Bezeichnung lautete auf Bordeaux Superieur mit 13,5 Prozent Alkohol. Das passte zur Appellation Castillon.
    An diesem Dokument war alles normal. Nur, wer verpackte einen einfachen Bordeaux Superieur in Holzkisten? Lächerlich, bei einem Durchschnittswein. Aber mit einem schönen Wappen darauf konnte man ihn fürs Doppelte verkaufen, die Kunden ließen sich blenden. Sie meinten, ein großes Gewächs zum kleinen Preis vor sich zu haben. Wirklich guter Wein hingegen war wie eine schöne Frau ohne Schminke.
    Der Stau löste sich auf, zuerst langsam, dann immer zügiger. Die Straßenlaternen wurden eingeschaltet, und als er eine Stunde später vor Carolines Haus ausstieg, war der Nachthimmel mit Sternen übersät.
    Man saß bereits beim Abendessen. Gastons Eltern und Carolines Vater waren abgereist, die Mutter war geblieben, leider. Schmallippig sah sie Martin entgegen, und als Caroline ihm das Essen aufwärmte, missgönnte sie ihm sogar das. Er verstand nicht, warum sie so feindselig war. Als die Kinder im Bett lagen, er wie üblich die E-Mails abgefragt und beantwortet hatte, berichtete er von LaCroix.
    Caroline wurde immer blasser. «Dieser Versicherungsmensch oder Kommissar, glaubst du, er ruft an? Und das mit Gaston - du ... du hältst es für möglich, dass es kein ... Unfall... dass jemand Gaston ...?», stammelte sie.
    Ihre Augen weiteten sich, sie schlug die Hände vor den Mund. Hilflos blickte sie vom einen zum anderen.
    Carolines Mutter konnte ihre Verbitterung über das Gehörte nicht verbergen. «Sie meinen also, er wurde ... es war Absicht?» Sie zischte mehr, als dass sie sprach, und ihre Worte klangen, als käme Martin selbst als Täter in Betracht,
    Er nickte. «Ja. Gaston suchte etwas, und er hat es wohl gefunden. Und genau an dieser Stelle war die Zeichnung. In dem Moment...»
    «Was denken Sie sich eigentlich?», fuhr ihn die alte verhärmte Frau an. «Sie platzen hier rein, in unser Haus, sagen das einfach so dahin, ungefragt, nach allem, was geschehen ist, scheren sich einen Dreck darum, wie meine Tochter das aufnimmt. Sind Sie noch bei Verstand? Und Sie halten sich für einen Freund? Sehen Sie nicht, was Sie Caroline damit antun? Sind Sie blind, oder sind Sie so ignorant?»

Kapitel5
    Die ersten Sonnenstrahlen blitzten über den Horizont und vertrieben die Schatten der Nacht. Der Tau glitzerte auf den Trauben und Weinblättern. Langsam hob sich der Nebel aus den Senken. Wieder kündigte ein warmer Tag sich an, das Wetter konnte für die Lese nicht besser sein.
    Martin stand gebückt zwischen den Rebzeilen, richtete sich auf, um den

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