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Tod in Bordeaux

Tod in Bordeaux

Titel: Tod in Bordeaux Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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zumindest, ob es diesen Kommissar gäbe. Sie könnten sich treffen, und er könnte ihn ausfragen. Bisher war es ja andersrum gelaufen.
    Mit Jean-Claude hatte er die halbe Nacht darüber gestritten, was von den Ungereimtheiten in der Lagerhalle zu halten sei. Gastons Bruder hatte sich von den Fakten in keiner Weise beeindrucken lassen, er hatte gemauert, geblockt und hartnäckig an der Version von einem Unfall festgehalten.
    Was immer geschehen war, von jetzt an würde man auch ihn nicht aus den Augen lassen. Man? Wer war das, wem war er in die Quere gekommen, bereits auf der Rückfahrt nach Deutschland? Verdammt, er hatte nichts, woran er sich halten konnte, alles war vage und schwammig. Würden sich die Unbekannten mit der Kiste Haut-Bourton aus seinem Kofferraum und den Flaschen aus seinem Keller begnügen oder ihm weiter auf die Pelle rücken? Zumindest blieb ihm noch eine von Gastons Flaschen, um den Test zu wiederholen und sich ein sicheres Urteil zu bilden.
    Oder sollte er sich besser ganz raushalten, den Wein machen, diesem Grivot erzählen, was er wusste, und sich um seine eigenen Angelegenheiten kümmern? Doch das konnte er nicht. Gaston war sein Freund gewesen, er war es ihm schuldig, dass er seinen Tod nicht einfach hinnahm.
    Caroline hatte sich an der Debatte nicht beteiligt. Sie sprach kaum noch, starrte die Wände an, aß fast nichts, ließ sich nicht aufmuntern und suchte hinter ihren Kindern Schutz. Deshalb hatte die Mutter ihren Aufenthalt um einige Tage verlängert, was die ohnehin drückende Stimmung im Haus weiter verschlechterte.
    Martin suchte in der Rebzeile neben der Landstraße nach den letzten reifen Trauben. Ein weißer Kastenwagen näherte sich aus Saint-Émilion, fuhr im Schritttempo vorbei, der Fahrer sah herüber, hielt an und setzte zurück.
    Sofort vergewisserte sich Martin, dass die Erntehelfer in der Nähe waren, denn nur in Gesellschaft fühlte er sich noch sicher.
    Ein grau melierter Mann, Mitte fünfzig, schwang sich leichtfüßig aus dem Wagen, zog das zerknautschte Sakko zurecht und schob eine Hand in die Tasche seiner ausgebeulten Kordhose. Was Martin, der ihn misstrauisch musterte, besonders auffiel, waren die Lehmränder an den Schuhen. Wahrscheinlich ein Winzer, vielleicht ein Nachbar, dachte Martin. Suchend ging der Mann auf Martin zu.
    «Guten Morgen, Monsieur», sagte er freundlich lächelnd. «Ein wunderbarer Tag, nicht wahr? Für die Lese ideal, aber ist es nicht ein wenig spät für Merlot?»
    Das Gesicht des Mannes war fein und glatt, kurze Lachfalten in den Augenwinkeln ließen auf einen gesunden Humor und wenig drückende Sorgen schließen. Das Haar war nicht mehr voll und locker nach hinten gekämmt. Der vornehme Ausdruck des Gesichts, das natürliche Autorität ausstrahlte, passte jedoch nicht zur legeren Kleidung. Der Fremde schien jemand zu sein, der es gewohnt war, Entscheidungen zu treffen, und sicher sein konnte, dass seine Anweisungen befolgt wurden. Alles in allem der aussterbende Typ des Landedelmannes.
    «Für Merlot ist es gerade richtig», antwortete Martin kurz angebunden und wunderte sich, dass sein Gegenüber die Rebsorte am Blattwerk erkannt hatte. Er selbst war in dieser Frage noch immer unsicher. «Wir sind so gut wie fertig.»
    «Ich bin sicher, dass Monsieur Latroye weiß, was er tut», sagte der Fremde verbindlich. Ihm war Martins aggressiver Unterton nicht entgangen. «Wenn Sie die Unterbrechung verzeihen, würden Sie ihn bitte holen, oder ist er in der Garage?»
    Martin zögerte, er war es nicht gewohnt, Anweisungen entgegenzunehmen.
    «Das ist doch sein Weinberg, oder? Übrigens, ich heiße Bichot, Alexandre Bichot.»
    «Bichot?» Martin versuchte, sich zu erinnern. Wo war er diesem Namen begegnet? Nachdenklich runzelte er die Stirn.
    «Ja, strengen Sie sich nicht zu sehr an.» Die Antwort wirkte belustigt, ohne überheblich zu sein. «Man kennt meinen Namen. Möglicherweise passt mein Äußeres momentan nicht ganz dazu», sagt er und blickte auf seine lehmigen Schuhe.
    «Sind Sie der - Bichot von Château Grandville?»
    «Den haben Sie sich anders vorgestellt, nicht wahr?» Bichot wirkte amüsiert und seufzte: «Diese Reaktion bin ich gewohnt. Die Leute denken, dass man in Nadelstreifen rumläuft, wenn man ein großes Château führt.»
    «Nein», entgegnete Martin, «ich habe lediglich überlegt, woher ich Sie kenne. Es stimmt, dieser Weinberg gehörte Gaston Latroye. Sie wissen es noch nicht?»
    «Was? Er hat doch nicht etwa verkauft?»

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