Tod in Bordeaux
Macht.
Alles andere war für sie nur Beiwerk. Sie wollte Einfluss nehmen, über die Kollegen herrschen und auch über den Mann, der ihr gleichzeitig den Rahmen bieten sollte, der ihr zustand. Ob das jedoch bei Garenne funktionieren würde, daran zweifelte Martin sehr.
Ihm wurde klar, dass er es im Grunde genommen gewesen war, der Petra auf Bordeaux mit seinen Châteaux heiß gemacht hatte. Jetzt war sie da, wo sie seit langem hingewollt hatte. Wie sollte er ihr die Begeisterung verübeln? Wahrscheinlich wusste sie viel genauer als er, was sie wollte: ein Schloss in Bordeaux. Dass in den Küchen des Médoc genau wie in Saint-Émilion auch nur mit Wasser gekocht wird, dachte er, wird sie selbst herausfinden. Der Unterschied ist lediglich, dass dort der Coq au Vin im Grand Cru Classé statt im Landwein schwimmt. Doch satt wird man von beiden, und schmecken tut‘s auch. Außerdem war die Sitte mit dem Cru wahrscheinlich längst dem Kostenmanagement zum Opfer gefallen, seit berühmte Châteaus an Versicherungen und Getränkekonzerne verkauft worden waren. Vielleicht gehörte Garennes Besitz längst den Banken? Sollte er Petra raten, sich erst einmal nach Hypotheken zu erkundigen, bevor sie sich mit Garenne einließ? Martin verwarf den Gedanken, das ging ihn nichts mehr an.
Sie durchquerten die nächtliche Großstadt, Martin fand auch auf Anhieb den Rückweg durch Entre-Deux-Mers. Zu sagen gab es nichts mehr, sie schwiegen, bis vor Carolines Haus der Kies unter den Reifen knirschte.
Die erste wache Viertelstunde des Sonntags war Martin damit beschäftigt, seine einzelnen Wirbel in die vorgesehene Reihenfolge zu bringen. Er müsste zehn Zentimeter kürzer sein, um mit dem Sofa einen Modus Vivendi zu finden. Einstweilen versuchte es, ihm die Wirbelsäule ein für alle Mal zu brechen. Aus Rache hatte er ihm wiederholt angedroht, es zu zerhacken, und hatte Caroline sogar Geld für ein neues Sofa angeboten, eines zum Ausziehen, aber sie hatte abgelehnt und ihm stets sein Zimmer freigehalten, gleichgültig, wer sonst noch zu Besuch gewesen war. Heute Nacht jedenfalls würde er Petra das Bett nicht überlassen.
Martin ging ins Bad, zog sich an und stieg dann leise in den Keller, um den Moulin de la Vaux zu probieren.
Er empfand ihn besser als mittelmäßig, entfernt erinnerte er an den gefälschten Haut-Bourton, wenn er ihn sich verwässert, dünner und ohne die Aromen vorstellte, die durch den Ausbau im Eichenfass hinzukamen. Aus diesem Wein konnte man zweifellos mit einem Vakuumverdampfer, der den Wein verdichtete, und mit der richtigen Menge Eichenspäne, mit denen nordamerikanische Winzer ihre Weine «würzten» mehr machen. Hatte er nicht auf Moulin irgendwo zusammengefegte Späne gesehen?
Und der Vakuumverdampfer ließ sich notfalls auch auf einem Sattelschlepper unterbringen. Je länger Martin darüber nachdachte, desto mehr verstärkte sich sein Verdacht: Hier hatte er den Rohstoff für die Fälschung vor sich.
Als er Schritte hörte, Carolines Mutter deckte wahrscheinlich den Frühstückstisch und machte Kaffee (in seine Tasse gab sie statt Zucker bestimmt einen Löffel Rattengift), verkorkte er die Flasche, um sie mit nach Hause zu nehmen. Unsinn, er würde den Wein frühestens morgen Abend wieder probieren, und bis dahin hatte ihn die Schüttelei im Wagen zerstört. Also, den Rest in den Ausguss. Das Rot im Spülstein erinnerte an jenen Abend, als er den gefälschten Haut-Bourton zum ersten Mal probiert hatte. Da war Gaston bereits tot gewesen.
Martin schlich in sein Zimmer und holte die Landkarte, Petra wachte nicht auf. Er nahm noch den Guide Hachette mit, sicherheitshalber auch den Gault Millau. In einem der beiden Weinführer würde er die Adressen von Garennes Châteaus bestimmt finden. Mit Clairmont wollte er beginnen.
Monsieur Jérôme, der in seiner Werkstatt einen Generator zerlegte, kam ihm entgegen, als Martin vorfuhr. «So früh unterwegs, und das am Sonntag?»
Martin begrüßte ihn freundlich. «Ich möchte Sie um einen Gefallen bitten. Leihen Sie mir Ihren Wagen bis heute Mittag? Ich lasse Ihnen meinen dafür hier.»
«Ein schlechter Tausch für Sie, aber mir soll’s recht sein. Ist wohl besser, ich frage nicht warum?»
Martin brummte nur viel sagend.
«Und der Anruf letzte Nacht, was hatte der zu bedeuten? Sie haben uns einen ziemlichen Schreck eingejagt. Jean-Claude stand plötzlich mit Gastons Büchern vor der Tür. Als es klingelte, dachte ich, es sei etwas mit Charlotte, die war
Weitere Kostenlose Bücher