Tod in Bordeaux
Lieferwagen stand noch dort. Martin ging zum Parkplatz, um im Wagen zu warten. Aber ein anderes Fahrzeug hatte so unglücklich geparkt, dass er nicht aus der Parkbucht herauskam. Er lief zurück. Mademoiselle Amelie musste helfen, und zwar schnell.
«Jemand hat mich zugeparkt. Ich muss dringend weg. Können Sie bitte fragen, wem der BMW gehört? Silbergrau, mit französischem Kennzeichen.»
Mademoiselle Amelie blinzelte Martin an. «Das wird unser Geschäftsführer sein, Monsieur Drapeau. Einen Augenblick, bitte.»
Das Fräulein verschwand zwischen den ausgelassenen Ausflüglern, und Martin ging zurück zum Wagen. Als er sich außer Sichtweite wähnte, rannte er zur Straße. Wo war der Lieferwagen? Zum Glück noch immer hinter der Kellerei. Martin kehrte eilig um. Mademoiselle Amelie trippelte ihm entgegen, an ihrer Seite - der Korse. Martin traf der Schlag. Umdrehen, weglaufen - waren seine ersten Gedanken, doch er zwang sich zur Ruhe. Er hörte ein Motorengeräusch und sah sich um: Verdammter Mist, der Lieferwagen verließ das Grundstück in Richtung Bourg.
«Monsieur, unser Geschäftsführer bittet um Entschuldigung, es tut ihm Leid», sagte Mademoiselle Amelie auf Deutsch und wies auf den Korsen. «Monsieur Drapeau fährt seinen Wagen sofort weg.»
Der Korse tat, als hätte er Martin nie zuvor gesehen, nickte nur kurz mit dem Kopf, was Martin entsprechend erwiderte. Er weiß, wer ich bin, dachte Martin, und dass ich ihn erkannt habe. Und warum ich hier bin.
«Das ist doch nicht Ihr Wagen?» Der Korse blickte Martin mit kalten Augen an. «Es gibt Leute, die lernen es nie ...»
Er konnte dem aggressiven Blick kaum standhalten. Bei seinem Auftauchen im Laden hat der Korse noch den Eindruck gemacht, dass ihm die Suche nach dem Haut-Bourton lästig war. Jetzt aber sinnt er darüber nach, wie er mir schaden kann, erkannte Martin. Er hatte vergessen, wie sich Furcht anfühlte, aber als sie sich in seinem Körper ausbreitete, erinnerte er sich wieder.
Es war im Hochgebirge gewesen, sein Vater hatte ihn als Kind auf eine Wanderung mitgenommen. An einem Steilhang hatte er sich zu Boden geworfen, sich an Felsbrocken geklammert und Todesängste ausgestanden. Niemand hatte ihn dazu bewegen können, auch nur einen Schritt weiterzugehen. Nur zurück. Aber das ging diesmal nicht, er hatte sich so weit vorgewagt, dass er unmöglich umkehren konnte. Er musste seinen Weg bis zu Ende gehen.
Der Korse fuhr den BMW weg, das zwinkernde Fräulein widmete sich den Betrunkenen im Verkostungsraum, und Martin zockelte in Monsieur Jérômes Auto über die Landstraße. Der Lieferwagen war über alle Berge.
Obwohl Martin nicht die leiseste Idee hatte, wohin die Kistenbretter gebracht wurden, war er ein beträchtliches Stück weitergekommen. Irgendetwas hatte die Bande aufgescheucht. Hatte er gestern in Garennes Anwesenheit irgendetwas Dummes gesagt?
Martin lieferte den Renault bei den Nachbarn ab und kam gerade rechtzeitig, um sich von Jean-Claude zu verabschieden, der seinen Koffer zum Wagen brachte. Über den Wein war alles gesagt, und als Caroline mit Tränen in den Augen ins Haus zurückgegangen war, rief Jean-Claude Martin noch einmal zurück:
«Bitte, schlag dir deine Mordphantasien aus dem Kopf. Tu mir den Gefallen, schon aus Rücksicht Caroline gegenüber. Du tust ihr weh. Stell dir vor, die Kinder würden das mitbekommen und das in der Nachbarschaft erzählen. Die Polizei hat mit keinem Wort verlauten lassen, dass sie an einem Unfall zweifelt. Du hilfst uns allen viel mehr, wenn du dich weiter so um den Wein kümmerst wie bisher. Ich finde es großartig, wie du das machst, der neue Pechant wird bestimmt klasse. Mir liegt das nicht, das weißt du. Ich bin im Hörsaal besser. Also, was ist? Versprich mir, dich rauszuhalten!»
Wieso lag Jean-Claude so viel daran, trotz allem, was Martin in Erfahrung gebracht hatte? Und was er heute bei Clairmont gesehen hatte, bestärkte ihn noch mehr in seinem Verdacht.
«Wahrscheinlich habe ich mich verrannt.» Martin seufzte. «Ich kann mich mit Gastons Tod einfach nicht abfinden. Gut. Du hast mein Wort.» Martin gab Jean-Claude die Hand. So bewusst hatte er noch nie ein falsches Versprechen gegeben.
Martin sah dem Wagen nach ... es war knapp zwei Wochen her, dass Gaston ihn hier genauso verabschiedet hatte, danach hatte er nur noch wenige Stunden gelebt. Warum war sein Freund gestorben?
Kapitel 9
Petra war noch nicht von ihrem Besuch bei Garenne zurückgekehrt, als Martin sich auf
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