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Tod in Bordeaux

Tod in Bordeaux

Titel: Tod in Bordeaux Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paul Grote
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den Weg zu den Nachbarn machte. Er starrte auf den ausgetretenen Weg und dachte nach. Konnte er ihnen vertrauen, mit ihnen über Vermutungen und Zweifel sprechen? Er befand sich in einem Zustand, den er nicht mehr kannte. Zehn Jahre lang war jemand da gewesen, für alles und jede Frage offen. Umgekehrt war es genauso gewesen, bis zu dem Tag, an dem Gaston begonnen hatte, ihm etwas zu verheimlichen. Und genau das hatte ihm das Genick gebrochen, im wahrsten Sinne des Wortes.
    Auf der Anhöhe zwischen den Häusern blieb Martin stehen und blickte sich nach Carolines Haus um. Er konnte sie sich dort allein auf Dauer nicht vorstellen. Eines Tages würde sie fortgehen. Und dann wäre dieser Lebensabschnitt für ihn definitiv zu Ende.
    Madame Lisette hatte ihn von weitem kommen sehen und empfing ihn an der Haustür. «Machen Sie nicht so ein bekümmertes Gesicht. Kommen Sie erst einmal rein. Ich weiß, Sie mögen den Kaffee stark und schwarz, mit viel Zucker.»
    Wie einfach es manchmal war, einem anderen das Gefühl zu geben, willkommen zu sein, dachte Martin und begrüßte Monsieur Jerome, der seine Neugier kaum zügeln konnte, aber Madame Lisette kam ihnen zuvor:
    «Wie geht es weiter? Sie fahren morgen ab, und dann? Wie haben Sie sich das vorgestellt? Sie können Caroline mit dem Wein nicht allein lassen. Das schafft sie nie.»
    «Ich bin schließlich auch noch da», sagte Monsieur Jerome, der einen Vorwurf heraushörte. «Außerdem gibt es Telefone.»
    «Und ich bin in spätestens zehn Tagen wieder hier. Bis dahin ist der Wein durchgegoren», ergänzte Martin.
    «Ihr müsst euch nicht verteidigen», beschwichtigte Madame Lisette und betrat die Küche. Vorwurfsvoll blickte sie Charlotte an, die den Kühlschrank inspizierte. «Du bist gestern spät heimgekommen, mein Kind!»
    «Maman, jetzt machst du wieder dieses alberne Gesicht wie früher, verdirb mir doch nicht den letzten Urlaubstag. Oh, Monsieur Martin. War Ihre Mutter auch so? Das Fest gut überstanden? Wo haben Sie ihre Freundin gelassen?»
    «Sie besichtigt heute ein Château im Médoc.»
    Charlotte tat erschrocken. «Oh, so schnell ist die Dame? Und Sie - stört Sie das nicht?»
    «Nein, nicht mehr. Wir haben nur noch wenig miteinander zu tun.»
    «Soll Vorkommen», sagte Charlotte, «aber doch nicht wegen gestern?»
    «Nein, eigentlich nicht und andererseits doch, es ist komplizierter.» Martin wand sich. «In gewisser Hinsicht bin ich sogar erleichtert. Wir haben uns auseinander gelebt, wenn wir ...», er zögerte einen Augenblick,«... überhaupt jemals richtig zusammen waren. Nein, es macht mir nichts.» Als er es sagte, wurde Martin klar, dass es auch stimmte. Petra war für ihn ein abgeschlossenes Kapitel.
    «Das glaubt man zuerst, aber später kommt der Katzenjammer, wenn man das Adressbuch in die Hand nimmt und überlegt, wen man anrufen kann. Niemand ist zu Hause, in ganz Paris sieht man nur glückliche Paare, besonders im Frühling, grauenhaft ist das. Männer haben es leichter ...», Charlotte blickte Martin fast vorwurfsvoll an, «... Frauen werden nie alleine eingeladen, das verhindern die anderen, aus Eigennutz. Sie fürchten, dass man ihren Mann verführt. Und wer lange verheiratet war, der kennt nur Paare. Bleiben die Endvierziger, die alternden Jäger, oder die, die sich zumindest dafür halten ... ach, lassen wir das.»
    «Dass Sie so etwas sagen, wundert mich. Sie haben sich nicht besonders gut erholt?» Martin gelang es nicht ganz, das Frotzelnde aus seiner Stimme zu verbannen.
    Charlotte, die es merkte, nahm es leicht. «So gut es ging, bin viel spazieren gegangen, habe lange geschlafen, nachgedacht und mich nicht geärgert. Das ist sehr viel wert. Keine Kriege, keine Machtkämpfe, keine Karrieristen, keine Stolpersteine, keine Schleimspuren, auf denen man ausrutscht ... arbeiten Sie mal in einem Ministerium.»
    «Sie sind böse», bemerkte Martin vorsichtig, und als Charlotte fragend die Stirn runzelte, korrigierte er sich rasch: «Ich meine nicht im Sinne von schlecht, sondern von ärgerlich, sauer auf die Menschen.»
    «Ihr Französisch ist sehr differenziert.»
    «Ich gebe mir Mühe, es macht Spaß, eine andere Sprache zu sprechen, weil sich damit auch das Denken verändert.»
    «Auch das Fühlen?»
    Martin stutzte. Woher der Stimmungsumschwung, wieso das plötzliche Interesse? Was, wenn sie seine Gefühle erwidern würde?
    «Warum haben Sie geheiratet, Charlotte?»
    «Warum? Aus Liebe wahrscheinlich. Wir waren jung und verliebt. Und -

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