Tod in Bordeaux
warum haben Sie nicht geheiratet?»
«Es hat sich nicht ergeben.»
«Bei Ihnen muss sich alles ergeben, oder? Was ist Ihr Ziel? Wo wollen Sie hin?»
Martin überging die Frage. «Und warum haben Sie sich scheiden lassen?»
«Sie stellen Fragen!» Charlotte lachte und sah ihre Mutter an, die von ihrer guten Laune überrascht war.
«Wir hatten uns nichts mehr zu sagen. Jeder führte sein eigenes Leben, die Berührungspunkte wurden spärlich. Wir entfernten uns voneinander, er war auf Reisen, ich in Paris, oder umgekehrt. Ihm machte es Spaß, Jean ging darin auf. Meetings, Kongresse, Anträge, Berichte, ich habe mir lange Zeit eingebildet, dass ich diese Arbeit gern tat. Was für ein Unsinn. Wenn man Glück hat, merkt man es rechtzeitig, den meisten gehen die Augen erst dann auf, wenn es zu spät ist.»
«Ist es das?» Martin dachte an den Weinberg, an die Garage und die Arbeit mit den Trauben, sah die Gärtanks vor sich, darin die schwimmende satte, lila Masse der vergorenen Trauben. Es war angenehm, mit den Händen hineinzugreifen, sie durch die Finger gleiten zu lassen. Bei der Ernte oder in der Garage dachte er nicht darüber nach, warum er das tat, da hatte er nur das Wie im Sinn. Ganz anders als bei der Arbeit in seinem Geschäft.
Monsieur Jerome hielt es nicht länger aus. «Martin! Was war denn nun los, letzte Nacht? Was war so wichtig, dass Jean-Claude mich aus dem Bett holen musste?»
«Was war gestern?», fragte Charlotte.
Ihr Vater erzählte ihr von Martins Anruf.
«Und was hat es mit den Kladden auf sich?»
Martin kratzte sich am Kopf und dachte nach. Wem konnte er vertrauen? Jean-Claude wollte sich aus allem raushalten, Caroline war nicht ansprechbar, ihre Mutter hasste ihn. Grivot gab es wahrscheinlich gar nicht, Sichel war auf einem anderen Trip, Petra zu Garenne übergelaufen. Wer blieb noch? Diese drei Franzosen ihm gegenüber? Martin gab sich einen Ruck.
«Ich muss ein bisschen ausholen, damit Sie meine Aufregung verstehen. Es fing an, als ich das letzte Mal von hier weggefahren bin. Wir, das heißt Gaston und ich, haben morgens Kisten eingeladen ...»
In knappen Worten berichtete Martin von der Reizbarkeit seines Freundes an jenem Morgen, von dem Diebstahl des Haut-Bourton und vom Auftauchen der Lederjacke und des Korsen in seinem Laden. Ausführlich beschrieb er seine Vermutungen in Bezug auf die Weinfälschung, seinen Besuch bei LaCroix, erwähnte das Zolldokument und das Auftauchen von Kommissar Grivot.
«Es muss doch zu klären sein, ob er für die Polizei arbeitet. Von diesem Inspektor haben Sie seitdem nichts gehört?», fragte Charlotte.
«Nein, er hat angeblich letzten Donnerstag angerufen, aber Jean-Claude will, dass ich mich da raushalte, und hat nicht nach der Nummer gefragt. Na gut, jetzt zurück zu dem Zolldokument...»
Martin sparte weder seinen Einbruch auf Moulin de la Vaux noch das Zusammentreffen mit Bichot aus. «Der Mann kam mir wie gerufen. Die Einladung zum Dinner war die Gelegenheit, Garenne kennen zu lernen. Ob er selbst den Wein fälscht oder seine Angestellten, kann ich nicht sagen. Ich bin mir sicher, dass Gaston mehr gewusst hat. Er hat den gefälschten Haut-Bourton genauso beschrieben wie ich, hier, sehen Sie!»
Martin las die entsprechende Passage vor, dann sprach er weiter: «Gestern, auf Grandville, da ging es um Gastons Pechant. Garenne wusste sehr viel über Gaston und seine Arbeit, ich fand das sehr merkwürdig. Er hat damit ungeheuren Eindruck auf meine Ex-Freundin gemacht, die dann dummerweise erzählt hat, dass jetzt, wo die Notizen wieder da sind, meine Arbeit bedeutungslos sei, da ich nur noch abzulesen brauche. Ich habe mich an den Einbruch erinnert. Wenn Garenne der Auftraggeber war, dann könnte er versuchen, jetzt an die Kladden zu kommen, um jeglichen Beweis für seine Fälschung zu vernichten. Ja, und das Dickste kommt noch. Heute war ich auf Château Clairmont...»
Martin beschrieb den Zwischenfall mit den neuen Holzkisten und schloss mit der Begegnung mit dem Geschäftsführer. «Es war der Mann aus meinem Laden, kein Zweifel...»
Madame Lisette stand auf und verschränkte die Arme vor der Brust. «Wenn das alles stimmt, was Sie sagen, Martin, dann müssen wir uns Sorgen um Sie machen!»
«Das glaube ich auch.» Charlotte kratzte mit einem Teelöffel die Reste aus ihrem zweiten Joghurtbecher. «Ich kann Ihnen einiges über Garenne erzählen. Es wäre nicht der erste Fall von Weinfälschung in der Familie. Das, was er über den
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