Tod in Bordeaux
Beerdigung, ja, unbestreitbar, da waren wir alle dabei. Schon merkwürdig, dass nur der Computer gestohlen wurde und die Disketten ... aber, nein. Ich sehe keinen Grund dafür, warum Gastons Tod kein Unfall gewesen sein soll. Wer würde so was Schreckliches tun? Wir sollten den Ermittlungen der Polizei ein wenig Vertrauen entgegenbringen.»
Martin gab nicht auf. «Weshalb sollte Gaston Ihnen die Kladden gegeben haben, so kurz vor ...»
«Zufall, vielleicht, warum nicht?»
«Dem Kommissar schien meine Erklärung über den Hergang des Unfalles bei LaCroix allerdings sehr plausibel.»
«Wir wissen nicht, ob er wirklich bei der Polizei ist», warf Charlotte ein. «Warum erzählen Sie uns das alles? Was erwarten Sie von uns?»
Martin zuckte zusammen, die Frage zog ihm den Boden unter den Füßen weg. Er hatte angenommen, Charlotte und ihre Eltern hätten seinen Hilferuf verstanden. Statt ihr zu antworten, wandte er sich verletzt an Monsieur Jerome. Seine Worte klangen härter als beabsichtigt. «Ganz einfach. Sie haben gefragt, weshalb ich Sie bat, Gastons Notizen in Sicherheit zu bringen. Das habe ich beantwortet. Um den Rest werde ich mich selbst kümmern. Ich möchte Sie nur bitten, alles, was ich Ihnen anvertraut habe, für sich zu behalten.» Damit stand er auf.
«Seien Sie nicht gleich beleidigt, Martin, setzen Sie sich, na, machen Sie schon.» Monsieur Jerome zog ihn am Ärmel und hielt ihn zurück. «Es ist nicht so, dass wir das nicht glauben, aber - es klingt so ... unwahrscheinlich, hypothetisch ...»
«Und auf was außer Hypothesen sollten wir uns sonst stützen? Wir tun unser ganzes Leben lang nichts anderes.»
Charlotte lachte, Martins letzte Bemerkung gefiel ihr gut. «Ich möchte noch einmal auf Garenne zurückkommen. Wie war er gestern Abend? Wie hat er Sie behandelt? Stehen Sie nicht rum, nun setzen Sie sich endlich wieder!»
Martin aber trat hinter den Stuhl und stützte die Hände auf die Lehne. Er war zu aufgewühlt, um sich zu setzen. Er fühlte sich missverstanden. «Garenne?» Martin versuchte, sich an den Auftritt dieses unangenehmen Menschen zu erinnern. «Der war mir vom ersten Moment an unsympathisch, er hat sich aufgeführt, als würde Grandville ihm gehören. Die Weine hat er immerzu mit seinen verglichen, geradezu peinlich. Und Petra hätte er am liebsten direkt verspeist - ich glaube, sie wäre gar nicht abgeneigt gewesen. Mich hat er behandelt ... na, wie einen Depp, der einen Korkenzieher nicht von einer Dekantierkaraffe unterscheiden kann. Er meinte, Gaston hätte hier nicht hingehört und Bordeaux nicht verstanden. Darüber habe ich mich am meisten geärgert.»
Charlotte grinste. «Kennen Sie die Fabel von Jean de la Fontaine über den Frosch und den Ochsen? Nein? Reineke Fuchs stammt auch von ihm. De la Fontaines Fabeln waren gegen den Absolutismus gerichtet, aber sie sind immer aktuell. Also, der Frosch bewundert den Ochsen und will so groß und so stark sein wie der. Er atmet und pumpt sich dabei auf, bis er immer größer wird und schließlich platzt. So ist Garenne! Außerdem unterschätzt er Sie.»
«Weshalb sollte er das tun?»
«Weil er sich selbst überschätzt. Er glaubt, Sie hätten keine Ahnung, wie man Wein macht, er hält Sie für einen kleinen Händler. Und das ist auch besser für Sie, wenn er etwas mit der Fälschung zu tun hat. Stellen Sie sich tot, Martin, warten Sie ab, was passiert.»
Aber Charlottes Vorschlag gefiel Martin überhaupt nicht. «Das habe ich immer gemacht, gewartet, was passiert, und dann reagiert. Aber jetzt ist es falsch. Der Korse hat mich heute gesehen. Er wird sich denken, dass ich nicht zum Verkosten nach Clairmont gekommen bin. Wenn er für Garenne arbeitet, dann wird er ihn informieren, und der fragt Petra aus. Die gibt ihm jede Auskunft, sie ist von ihm total begeistert. Wieso sollte Garenne an Zufall glauben? Schon bei Moulin de la Vaux hat mich jemand gesehen.»
«Wer?» Charlotte runzelte die Stirn. «Sie scheinen sich recht auffällig zu bewegen.»
«Kann ich ahnen, was hier los ist? Ich habe mir das alles nicht ausgesucht.»
«Wer hat sie gesehen? Der Korse?»
«Nein, Jacques heißt er, den Nachnamen habe ich vergessen.»
«Was für ein Jacques?», fragte Charlotte interessiert.
«Ein Kellermeister mit Rheuma. Er mimt den Frührentner, aber er spielt ausgezeichnet Billard. Wir haben uns in dem Bistro kennen gelernt, nachdem ich bei Moulin de la Vaux war. Er hat mir geraten, vorsichtiger zu sein.»
«Wenn er das gesagt
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