Tod in Bordeaux
Simone und Daniel hatten viel zu erzählen. Vor dem Einschlafen las Martin ihnen noch etwas aus ‹ Ol iver Swift› vor, und als er sich zwei Stunden später zu Caroline in den Salon setzte, war er ruhig. Endlich hatte er das Gefühl, in Saint-Émilion angekommen zu sein.
Aber mit dem Gleichgewicht war es bald wieder vorbei, denn der Bericht von den Ereignissen der vergangenen Woche wühlte ihn erneut auf. «Dass es so weit kommt, dass irgendjemand aus Bordeaux mir Totschläger auf den Hals hetzt, hätte ich mir niemals vorstellen können. Und am nächsten Abend, als ich mit Verbänden und Bandagen auf meinem Sofa lag, kam dein Anruf. Das hat mir den Rest gegeben.»
Caroline schlug die Augen nieder. «Martin, bitte, versteh. Ich weiß selbst nicht mehr ein noch aus, ich brauche Zeit, alles tut so weh, ich stehe das nicht durch. Glaubst du, Fleury hat... mit Gastons Tod was zu tun?»
«Direkt nicht, dazu ist er zu feige, indirekt wohl schon. Er könnte der Kopf dahinter sein, derjenige, der die Sachen ausheckt. War er lange hier?»
«Eine halbe Stunde bestimmt. Hast du seinen Aktenkoffer gesehen? Da waren 50 000 Euro drin, in bar, steuerfrei, schwarz, alles für mich, hat er gesagt, zusätzlich zum Kaufpreis, wenn ich den Vertrag akzeptiere. Den hatte er gleich mitgebracht.»
«Fünfzigtausend? Wenn er das nebenbei drauflegt, scheint es ein richtig gutes Geschäft für ihn zu sein. Wieso hast du nicht unterschrieben?»
«Ich habe ihm gesagt, dass wir weitermachen. Er hat geredet und geredet, ohne mich zu Wort kommen zu lassen, und versucht, mir den Koffer in die Hand zu drücken. Gehalten Sie es, es gehört Ihnen›, waren seine Worte ... Angeblich will er den Weinberg für seinen Sohn haben, diese Flasche. Ein richtiger Playboy, dessen Visage in jeder Klatschspalte auftaucht. Aber wir haben nicht all die Jahre geschuftet, um einem Hampelmann das Land zu überlassen.»
«Das mit dem Sohn glaube ich nicht», sagte Martin und bemerkte, wie er seine Finger knetete. Das erste Mal war es ihm bei der Polizei aufgefallen, nachdem ihn das Krankenhaus entlassen hatte. «Für so jemanden muss man keine Hunderttausende rauswerfen. Den kann man woanders unterbringen, am besten in einer Pflückerkolonne. Aber du hattest dich vorher schon entschieden, nicht zu unterschreiben. Wer hat dich umgestimmt, Monsieur Jerome oder Charlotte?»
«Beide, nein, eigentlich mehr Charlotte. Sie muss große Stücke auf dich halten.»
«Schon wieder Charlotte. Überall muss sie ihre Finger drinhaben. Kann sie einen nichts alleine machen lassen?»
«Bleib bitte auf dem Teppich. Fleury ist weg, beruhige dich. Du bist ungerecht. Sie ist unsere Freundin, schließlich hat sie Grivot aufgetrieben ... und sie hat mir klargemacht, wie dumm ich mich dir gegenüber benommen habe. Ich denke, du magst sie?»
«Ja, das tu ich auch. Aber sie ist wie diese anderen Politiker, die sich einbilden, dass ohne sie nichts geht. Ach, ich fühle mich überfahren, überrollt von allem ...» Martin biss sich auf die Lippen, als ihm klar wurde, dass er Caroline Angst machte, statt ihr Vertrauen und Sicherheit zu vermitteln.»
«Martin, wieso dieses Misstrauen gegenüber Charlotte? Du erinnerst mich an meine Mutter ...»
Das saß, Martin zog erschrocken den Kopf ein. Aber Caroline hatte Unrecht, er war nicht so wie diese Frau. Sollte er ihr erzählen, dass er einen Umweg über Paris gemacht und Charlotte getroffen hatte? Dass sie im Streit auseinander gegangen waren?
Martin überlegte noch, als Caroline einlenkte: «So habe ich das nicht gemeint. Ach, wir sind alle mit den Nerven runter. Was ist überhaupt mit Petra? Hast du sie getroffen?»
Martin schüttelte den Kopf. «Absolute Funkstille, kein Wort. Ist auch besser so. Ich geh jetzt schlafen.» Er strich Caroline über die Wange. «Es ist schön, wieder bei euch zu sein.»
Obwohl ihm niemand sein Zimmer streitig machte und er todmüde war, ließ ihn die Aufregung nicht schlafen. Er setzte sich ans Fenster und starrte in die Nacht, wartete darauf, dass irgendwo Scheinwerfer auftauchten. In der Ferne hörte er Motorengeräusche, ein Hund bellte, Fledermäuse flatterten an der Laterne vorbei. Der Auftritt mit Fleury ging ihm nicht aus dem Kopf, er hätte dem Typ eine reinhauen sollen. Verdient hatte er es alle Mal. Aber dann bin ich nicht anders als die Totschläger, dachte er, verließ den Aussichtsposten am Fenster und legte sich aufs Bett. Er hätte lieber nach dem Wein sehen sollen, statt sich mit dem
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