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Tod in Breslau

Tod in Breslau

Titel: Tod in Breslau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marek Krajewski
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dieser
    Schlingen? Und können Sie jetzt die Schwäche, die Sie bei
    mir entdeckt haben, gegen mich verwenden?«
    »Und warum sollte ich das tun?«
    Mit Anwaldts unterwürfiger Haltung war es vorbei.
    Dieses Gespräch begann ihm großen Spaß zu bereiten. Er
    fühlte sich wie ein Vertreter einer seltenen wissenschaftlichen Disziplin, der sich zufällig in seinem Zugabteil ei-

nem anderen leidenschaftlichen Anhänger dieser Wis-
    senschaft gegenüberfindet und plötzlich aufhört, die vor-
    beiziehenden Bahnhöfe zu zählen.
    »Warum? Weil ich es schließlich bin, der einen Fall
    wieder aufrollen soll, den Sie bereits außerordentlich er-
    folgreich abgeschlossen haben.« (So viel ich weiß, hat dieser Erfolg nicht unwesentlich zu deiner Karriere beigetragen!)
    »Dann tun Sie das gefälligst, und verschonen Sie mich
    mit Ihrer psychologischen Vivisektion.« Mock hatte be-
    schlossen, sich noch ein bisschen zu ärgern.
    Anwaldt fächelte sich mit der »Breslauer Zeitung«
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    Kühlung zu, und schließlich riskierte er es: »Das tue ich ja gerade. Und ich habe dabei mit Ihnen begonnen.«
    Mock lachte schallend. Anwaldt fiel etwas zurückhal-
    tender in das Gelächter ein. Vor der Tür wunderte sich
    Forstner, der vergeblich versucht hatte, etwas Genaueres
    herauszufinden.
    »Du gefällst mir, mein Sohn.« Mock trank seinen Tee
    aus. »Wenn es mal Schwierigkeiten geben sollte, kannst
    du mich zu jeder Tages- und Nachtzeit anrufen. Beinahe
    jeder in der Stadt steckt in einer Schlinge, und die halte ich in der Hand.«
    »Nur meine noch nicht?« Anwaldt steckte die elegante
    Visitenkarte Mocks in seine Brieftasche.
    Mock stand auf, um zu zeigen, dass er das Gespräch
    für beendet hielt.
    »Ein Grund dafür, dass du mir sympathisch bist.«

    Breslau, 7. Juli 1934.
    Fünf Uhr nachmittags

    Mocks Arbeitszimmer war außer der Küche der einzige
    Raum seiner Fünfzimmerwohnung am Rehdingerplatz 1,
    dessen Fenster nach Norden hinausgingen. Nur hier war
    es im Sommer angenehm kühl. Er hatte gerade sein Mit-
    tagessen beendet, das er sich vom gegenüberliegenden
    Restaurant Grajecka hatte kommen lassen. Jetzt saß er am
    Schreibtisch und trank ein kühles Haselbach-Bier, das er
    aus der Speisekammer geholt hatte. Wie gewöhnlich
    rauchte er nach dem Essen, wobei er ein beliebiges Buch
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    aus dem Regal zur Hand nahm. Diesmal hatte er das
    Werk eines in Ungnade gefallenen Autors erwischt:
    Freuds »Zur Psychopathologie des Alltagslebens«. Wäh-
    rend er den Abschnitt über Versprecher und Fehlleistun-
    gen las, sank er langsam in den ersehnten Schlummer, als
    ihm plötzlich zu Bewusstsein kam, dass er Anwaldt heute
    mehrere Male mit »mein Sohn« angeredet hatte. Das war
    ein Versprecher, wie er Mock noch nie zuvor unterlaufen
    war. Zwar hielt er sich selbst für einen eher beherrschten und kontrollierten Menschen. Aber mit Freud war er zu
    der Überzeugung gelangt, dass man, wenn man unbeab-
    sichtigte Worte äußerte, seine geheimen Bedürfnisse und
    Wünsche enthüllte. Mocks größter Traum war es, einen
    Sohn zu haben. Er hatte sich nach vier Jahren Ehe von
    seiner ersten Frau scheiden lassen, weil sie ihn mit einem Angestellten betrogen hatte – nachdem sie seine immer
    brutaleren Vorwürfe zu ihrer Kinderlosigkeit nicht mehr
    hatte ertragen können. In der Folge hatte er häufig wech-
    selnde Geliebte, und wäre eine von ihnen schwanger ge-
    worden, hätte er sie ohne Zögern geheiratet. Leider aber
    hatten sie alle bald genug von diesem düsteren Neuroti-
    ker und suchten sich andere Partner – mit denen sie dann
    mehr oder weniger glückliche Beziehungen eingingen.
    Alle hatten sie Kinder bekommen. Als Mock vierzig war,
    glaubte er trotzdem noch immer nicht an seine eigene
    Zeugungsunfähigkeit und war weiterhin auf der Suche
    nach einer Mutter für seinen Sohn. Endlich fand er eine
    ehemalige Medizinstudentin, die von ihrer Familie wegen
    eines unehelichen Kindes verstoßen worden war. Sie hat-
    te ihr Studium abbrechen müssen und war die Mätresse
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    eines reichen Hehlers geworden, und Mock hatte sie da-
    mals in einer Sache verhört, in die ihr zwielichtiger Ge-
    fährte verwickelt war. Einige Tage später zog Inge Mar-tens dann in die Wohnung in der Zwingerstraße, die
    Mock für sie gemietet hatte. Und der Hehler – nachdem
    Mock seine Schlinge wieder einmal zugezogen hatte –
    ging nach Liegnitz, was ihm übrigens gar nichts auszu-
    machen schien. Dort vergaß er seine ehemalige Geliebte.
    Mock war

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