Tod in Breslau
glücklich. Er besuchte Inge jeden Tag zum
Frühstück – nach ausgiebiger Ertüchtigung im benach-
barten Schwimmbad. Nach drei Monaten schien ihr
Glücksstern im Zenit zu stehen: Inge war schwanger.
Mock entschloss sich, ein zweites Mal zu heiraten. Er
glaubte an das alte lateinische Sprichwort amor omnia
vincit . Doch nach einigen Monaten zog Inge aus der Zwingerstraße aus – und brachte das zweite Kind des Universitätsdozenten Doktor Karl Meißner zur Welt. Dieser
hatte sich inzwischen scheiden lassen und seine Geliebte
geheiratet, und Mock hatte seinen Glauben an die Liebe
verloren. Damals hatte er ein für alle Mal damit aufge-
hört, sich Illusionen hinzugeben. Er heiratete eine reiche, kinderlose Dänin, seine zweite und letzte Frau.
Das Telefon läutete und unterbrach sein Grübeln.
Mock war froh, die Stimme Anwaldts zu hören.
»Ich würde gerne auf Ihr freundliches Angebot zu-
rückkommen. Es gibt da ein Problem mit diesem Weins-
berg. Er nennt sich jetzt Winkler und tut so, als ob er von Friedländer noch nie etwas gehört hätte. Er wollte nicht
mit mir sprechen. Es hätte nicht viel gefehlt, und er hätte seine Hunde auf mich gehetzt. Haben Sie vielleicht eine
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Kleinigkeit auf Lager, die man gegen ihn verwenden
könnte?«
Mock überlegte fast eine Minute angestrengt.
»Ich glaube schon. Aber ich möchte mit Ihnen darüber
nicht am Telefon sprechen. Kommen Sie in einer Stunde
zu mir. Rehdingerplatz 1, Tür 6.«
Er legte auf und wählte Forstners Nummer. Als sein
ehemaliger Assistent sich meldete, stellte er zwei gezielte Fragen und folgte aufmerksam Forstners erschöpfenden
Auskünften. Einen Moment später läutete es wieder. Die
Stimme von Gestapo-Chef Erich Kraus stellte ihre Frage
im knappen Befehlston.
»Mock, wer ist dieser Anwaldt, und was hat er hier zu
suchen?«
Der Rat konnte diesen arroganten Ton nicht ausste-
hen. Walter Piontek hatte immer unterwürfig um jede In-
formation gebeten, obgleich er wusste, dass Mock ihm
seine Bitten kaum abschlagen konnte. Kraus hingegen
verlangte rüde nach einer Antwort. Obwohl er erst seit
einer Woche in Breslau im Amt war, wurde er für seine
Taktlosigkeit bereits von vielen aufrichtig gehasst.
»Dieser Parvenue und Fanatiker!«, pflegten die echten
Breslauer Aristokraten hinter seinem Rücken zu flüstern.
»Na, was ist? Sind Sie eingeschlafen da drüben?«
»Anwaldt ist Offizier der Abwehr.« Mock war auf Fra-
gen nach dem neuen Assistenten vorbereitet, und er wuss-
te auch, dass eine der Wahrheit entsprechende Antwort
für den neuen Mitarbeiter aus Berlin hätte gefährlich wer-
den können. Diese Angabe jedoch schützte Anwaldt, da
der Chef der Breslauer Abwehr, der schlesische Aristokrat
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Rainer von Hardenburg, Kraus hasste. »Er wird einen
polnischen Nachrichtendienst in Breslau einrichten.«
»Wozu braucht er dann Sie? Und warum sind Sie nicht
wie geplant in Urlaub gefahren?«
»Eine persönliche Angelegenheit hat mich aufgehalten.«
»Welche?«
Für Kraus gab es zwei Dinge im Leben, die Priorität
besaßen: Militärmärsche und ein intaktes Familienleben.
Mock war angewidert von diesem Menschen, der immer
gründlich das Blut der von ihm höchstpersönlich gefol-
terten Häftlinge, von seinen Händen wusch, bevor er sich
mit seiner Familie zum Mittagsmahl setzte. Bereits am
zweiten Tag seiner Amtszeit hatte Kraus mit bloßen
Händen einen Gefangenen erschlagen, als dieser ihm
nicht mitteilen wollte, wo er sich hinter dem Rücken der
Ehefrau mit seiner Geliebten, einer Beamtin des polni-
schen Konsulats, zu treffen pflegte. Später hatte er vor
dem ganzen Präsidium damit geprahlt, wie sehr er eheli-
che Untreue verabscheue.
Mock holte tief Luft, er zögerte. Doch dann antwortete er:
»Es ist wegen meiner Freundin … Aber ich möchte Sie
um Diskretion bitten … Sie verstehen doch …?«
»Pfui!«, schnaubte Kraus, »nichts verstehe ich!« Er
knallte den Hörer auf die Gabel.
Mock ging zum Fenster und betrachtete den staubigen
Kastanienbaum, dessen Blätter auch nicht der leiseste
Windhauch bewegte. Ein Wasserträger verkaufte seine
erfrischende Ware an die Bewohner des Hinterhauses,
Kinder spielten schreiend Fangen und wirbelten dabei
den Staub auf dem Sportplatz der jüdischen Volksschule
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auf. Mock hatte ein wenig das Gleichgewicht verloren. Er
hatte sich ausruhen wollen, und dann ließ man ihm sogar
nach der Arbeit keine Ruhe. Er stellte die
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