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Tod in Breslau

Tod in Breslau

Titel: Tod in Breslau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marek Krajewski
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glücklich. Er besuchte Inge jeden Tag zum
    Frühstück – nach ausgiebiger Ertüchtigung im benach-
    barten Schwimmbad. Nach drei Monaten schien ihr
    Glücksstern im Zenit zu stehen: Inge war schwanger.
    Mock entschloss sich, ein zweites Mal zu heiraten. Er
    glaubte an das alte lateinische Sprichwort amor omnia
    vincit . Doch nach einigen Monaten zog Inge aus der Zwingerstraße aus – und brachte das zweite Kind des Universitätsdozenten Doktor Karl Meißner zur Welt. Dieser
    hatte sich inzwischen scheiden lassen und seine Geliebte
    geheiratet, und Mock hatte seinen Glauben an die Liebe
    verloren. Damals hatte er ein für alle Mal damit aufge-
    hört, sich Illusionen hinzugeben. Er heiratete eine reiche, kinderlose Dänin, seine zweite und letzte Frau.
    Das Telefon läutete und unterbrach sein Grübeln.
    Mock war froh, die Stimme Anwaldts zu hören.
    »Ich würde gerne auf Ihr freundliches Angebot zu-
    rückkommen. Es gibt da ein Problem mit diesem Weins-
    berg. Er nennt sich jetzt Winkler und tut so, als ob er von Friedländer noch nie etwas gehört hätte. Er wollte nicht
    mit mir sprechen. Es hätte nicht viel gefehlt, und er hätte seine Hunde auf mich gehetzt. Haben Sie vielleicht eine
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    Kleinigkeit auf Lager, die man gegen ihn verwenden
    könnte?«
    Mock überlegte fast eine Minute angestrengt.
    »Ich glaube schon. Aber ich möchte mit Ihnen darüber
    nicht am Telefon sprechen. Kommen Sie in einer Stunde
    zu mir. Rehdingerplatz 1, Tür 6.«
    Er legte auf und wählte Forstners Nummer. Als sein
    ehemaliger Assistent sich meldete, stellte er zwei gezielte Fragen und folgte aufmerksam Forstners erschöpfenden
    Auskünften. Einen Moment später läutete es wieder. Die
    Stimme von Gestapo-Chef Erich Kraus stellte ihre Frage
    im knappen Befehlston.
    »Mock, wer ist dieser Anwaldt, und was hat er hier zu
    suchen?«
    Der Rat konnte diesen arroganten Ton nicht ausste-
    hen. Walter Piontek hatte immer unterwürfig um jede In-
    formation gebeten, obgleich er wusste, dass Mock ihm
    seine Bitten kaum abschlagen konnte. Kraus hingegen
    verlangte rüde nach einer Antwort. Obwohl er erst seit
    einer Woche in Breslau im Amt war, wurde er für seine
    Taktlosigkeit bereits von vielen aufrichtig gehasst.
    »Dieser Parvenue und Fanatiker!«, pflegten die echten
    Breslauer Aristokraten hinter seinem Rücken zu flüstern.
    »Na, was ist? Sind Sie eingeschlafen da drüben?«
    »Anwaldt ist Offizier der Abwehr.« Mock war auf Fra-
    gen nach dem neuen Assistenten vorbereitet, und er wuss-
    te auch, dass eine der Wahrheit entsprechende Antwort
    für den neuen Mitarbeiter aus Berlin hätte gefährlich wer-
    den können. Diese Angabe jedoch schützte Anwaldt, da
    der Chef der Breslauer Abwehr, der schlesische Aristokrat
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    Rainer von Hardenburg, Kraus hasste. »Er wird einen
    polnischen Nachrichtendienst in Breslau einrichten.«
    »Wozu braucht er dann Sie? Und warum sind Sie nicht
    wie geplant in Urlaub gefahren?«
    »Eine persönliche Angelegenheit hat mich aufgehalten.«
    »Welche?«
    Für Kraus gab es zwei Dinge im Leben, die Priorität
    besaßen: Militärmärsche und ein intaktes Familienleben.
    Mock war angewidert von diesem Menschen, der immer
    gründlich das Blut der von ihm höchstpersönlich gefol-
    terten Häftlinge, von seinen Händen wusch, bevor er sich
    mit seiner Familie zum Mittagsmahl setzte. Bereits am
    zweiten Tag seiner Amtszeit hatte Kraus mit bloßen
    Händen einen Gefangenen erschlagen, als dieser ihm
    nicht mitteilen wollte, wo er sich hinter dem Rücken der
    Ehefrau mit seiner Geliebten, einer Beamtin des polni-
    schen Konsulats, zu treffen pflegte. Später hatte er vor
    dem ganzen Präsidium damit geprahlt, wie sehr er eheli-
    che Untreue verabscheue.
    Mock holte tief Luft, er zögerte. Doch dann antwortete er:
    »Es ist wegen meiner Freundin … Aber ich möchte Sie
    um Diskretion bitten … Sie verstehen doch …?«
    »Pfui!«, schnaubte Kraus, »nichts verstehe ich!« Er
    knallte den Hörer auf die Gabel.
    Mock ging zum Fenster und betrachtete den staubigen
    Kastanienbaum, dessen Blätter auch nicht der leiseste
    Windhauch bewegte. Ein Wasserträger verkaufte seine
    erfrischende Ware an die Bewohner des Hinterhauses,
    Kinder spielten schreiend Fangen und wirbelten dabei
    den Staub auf dem Sportplatz der jüdischen Volksschule
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    auf. Mock hatte ein wenig das Gleichgewicht verloren. Er
    hatte sich ausruhen wollen, und dann ließ man ihm sogar
    nach der Arbeit keine Ruhe. Er stellte die

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