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Tod in Breslau

Tod in Breslau

Titel: Tod in Breslau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marek Krajewski
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nicht, ob es Sie interessiert«, Maass bedachte
    Anwaldt mit einem beleidigten Blick, »aber vor kurzem
    ist die dritte Auflage meiner Hebräischgrammatik er-
    schienen. Ich bin also in dieser Sprache einigermaßen sat-
    telfest und brauche wohl keine Hilfe von einem Hoch-
    stapler wie Andrae. Ein Hermann Winkler ist mir nicht
    bekannt, und ich habe auch nicht das Bedürfnis, ihn ken-
    nen zu lernen.«
    Er wandte sich jäh zum Gehen, die Platte schob er un-
    ter sein Jackett. »Adieu. Kommen Sie morgen bei mir
    vorbei. Ich denke, ich werde bis dahin mit der Überset-
    zung fertig sein.« Seine Stimme verriet immer noch seine
    Gekränktheit.
    Anwaldt ignorierte Maass’ bissigen Ton. Er versuchte,
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    sich an die Frage zu erinnern, die er hatte stellen wollen.
    Nervös verdrängte er seine Sehnsucht nach schäumen-
    dem Bier und bemühte sich, das Geschrei der Kinder, die
    auf der Allee herumliefen, zu überhören. Die Kronen der
    Platanen bildeten eine Glocke, unter der die dichte
    Staubwolke, die sich in der Hitze zusammengeballt hatte,
    nicht abziehen konnte. Anwaldt fühlte, wie ein schmaler
    Schweißbach zwischen seinen Schulterblättern hinunter-
    floss. Er sah Maass an, der sichtlich auf eine Entschuldi-
    gung wartete, und krächzte mit trockener Kehle:
    »Doktor Maass, warum haben Sie Professor Andreae
    einen Hochstapler genannt?«
    Maass vergaß sofort seine Gekränktheit, lebhaft nahm
    er das Gespräch wieder auf:
    »Glauben Sie denn wirklich, dass dieser Banause kopti-
    sche Inschriften entdeckt hat? Er hat ganz einfach alte Inschriften bearbeitet und dann auf der Grundlage dieser
    Fälschung die koptische Grammatik modifiziert. Es wäre
    ja wirklich eine großartige Entdeckung gewesen, hätte er
    diese ›Entdeckung‹ nicht mit großem Fleiß selbst arran-
    giert. Er war ganz einfach auf der Suche nach einem Ha-
    bilitationsthema. Ich habe in den ›Semitischen Forschun-
    gen‹ auf diesen Betrug hingewiesen. Wissen Sie, wie ich
    da argumentiert habe?«
    »Verzeihen Sie, Herr Maass, aber ich bin ein wenig in
    Eile. Wenn ich einmal mehr Zeit habe, würde ich mich
    gerne mit diesem faszinierenden Problem vertraut ma-
    chen. Aber ich kann wohl daraus schließen, dass Sie und
    Andreae nicht gerade gute Freunde sind, oder?«
    Maass hatte die Frage nicht mehr gehört. Sein uner-
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    sättliches Auge hatte die üppigen Formen zweier Mäd-
    chen in Schuluniform entdeckt, die gerade vorbeigingen.
    Das war auch dem älteren Herrn nicht entgangen, der so-
    eben seine Zigarettenspitze ausklopfte.

    Breslau, 8. Juli 1934.
    Halb vier Uhr nachmittags

    Forstner hatte innerhalb der letzten Viertelstunde den
    dritten großen Schnaps hinuntergestürzt. Er nahm einen
    großen Bissen von seinem Wiener Würstchen mit üppi-
    ger Krenhaube. Der Alkohol beruhigte ihn nur wenig. Er
    saß düster in einer diskreten Loge, die durch eine dunkel-
    rote Portiere vom Rest des Saales abgeteilt war, und ver-
    suchte mithilfe des scharfen Getränkes den Druck der
    Schlinge ein wenig zu lockern, an der Mock vor einer
    Stunde kräftig gezogen hatte. Das war nicht leicht, da an
    jedem der beiden Enden eine mächtige und verhasste
    Kraft saß: hier Eberhard Mock und dort Erich Kraus. Ge-
    rade als er seine Wohnung in der Kaiser-Wilhelm-Straße
    verlassen wollte, hatte er das schrille Telefonklingeln ge-hört. Er hatte sich schon denken können, dass es Kraus
    war, der Informationen über Anwaldts Auftrag in Breslau
    verlangte. Doch erst als er auf dem glühenden Trottoir an
    der Straßenbahnhaltestelle stand, kam ihm seine eigene
    Ohnmacht richtig zu Bewusstsein, Aber auch Mock,
    Kraus und vor allem Baron von Köpperlingk befanden
    sich in einer Zwangslage. Forstner verfluchte die wilden
    Orgien in Köpperlingks Palais und in dessen Gärten in
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    Kanth, wo nackte halbwüchsige Mädchen die Gäste mit
    einem Getränk verwöhnten, das der Baron »Ambrosia«
    nannte, während sich in den Bassins ebenfalls nackte
    Tänzerinnen und Tänzer tummelten. Forstner hatte sich
    unter den Fittichen des allmächtigen Piontek sicher ge-
    fühlt, umso mehr als sein Chef das Privatleben und den
    Umgang seines Assistenten nicht zur Kenntnis zu neh-
    men schien. Und bisher hatte er sich wegen Mock nie-
    mals Sorgen gemacht, auch wenn er von Piontek erfahren
    hatte, dass der ehemalige Rat immer neue Informationen
    über ihn erhielt – wenn Mock denn einer unglücklichen
    Indiskretion von Baron Köpperlingk Glauben schenkte.
    Der spektakuläre Aufstieg

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