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Tod in Breslau

Tod in Breslau

Titel: Tod in Breslau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marek Krajewski
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verschwitzten Körper auf dem Stapel dik-
    ker Gymnastikmatten, und die Jungen losten die Reihen-
    folge aus, Josef war der Erste, als Nächstes war der dicke Hannes dran. Anwaldt wartete geduldig, bis die Reihe an
    ihn kam. Als sich Hannes von der Köchin herunterge-
    wälzt hatte, grinste sie Anwaldt frech an: »Du nicht mehr.
    Mir reicht’s.«
    Er war in den Gemeinschaftsraum zurückgekehrt – die
    Lust auf Frauen war ihm gründlich verleidet. Doch das
    Schicksal gewährte ihm keine lange Pause. Als neunzehn-
    jähriger Primaner hatte er der Tochter eines reichen In-
    dustriellen Nachhilfestunden erteilt. Er weihte das sieb-
    zehnjährige, ein wenig überspannte Mädchen in die Re-
    geln der griechischen Syntax ein, dafür offenbarte sie ihm nicht ungern die Geheimnisse ihres Körpers. Herbert war
    rasend verliebt. Als er nach einem halben Jahr schwerer,
    wiewohl auch angenehmer Arbeit ihren Vater um sein
    Honorar bat, antwortete ihm dieser verwundert, dass er
    die Entlohnung doch bereits von seiner Tochter bekom-
    men hätte. Das Mädchen bestätigte das mit Entschieden-
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    heit – in Anwesenheit ihres Vaters. Dementsprechend
    musste sich Anwaldt, der »niederträchtige Schwindler«,
    geschlagen geben und wurde von zwei livrierten Dienern
    hinausbefördert.
    Danach sah es aus, als hätte Anwaldt bereits alle Illu-
    sionen verloren. Doch das änderte sich bald – wegen ei-
    ner anderen Gymnasiastin, der hübschen Erna Stange,
    die aus einer tüchtigen, jedoch armen Arbeiterfamilie in
    Berlin-Wedding stammte. Anwaldt war bereits dreißig,
    seine Karriere bei der Polizei ließ sich gut an, und so
    schmiedeten sie Heiratspläne. Ernas Vater, ein aufrechter
    und wackerer Eisenbahner, hatte Tränen in den Augen,
    als Anwaldt um Ernas Hand anhielt, und Anwaldt be-
    mühte sich um einen Kredit – aus der Polizeikasse. Er
    dachte an eine eigene Wohnung und wartete nur noch
    darauf, dass Erna ihr Abitur machte. Drei Monate später
    jedoch hatte er wieder alles aufgeben müssen. Nur der
    Alkohol war ihm geblieben.
    Er glaubte nicht mehr daran, dass die Leidenschaft ei-
    ner Gymnasiastin uneigennützig sein könne. Deshalb
    traute er jetzt auch nicht so recht all dem, was er eben mit angesehen hatte: Ein hübsches junges Mädchen, das sich
    einem lüsternen Professor hingab.
    Die Wohnungstür schwang auf. Maass küsste seine
    Schülerin zum Abschied mit geschlossenen Augen. Noch
    einmal gab er ihr einen festen Klaps auf den Hintern,
    dann warf er die Tür ins Schloss. Anwaldt hörte das
    Klappern ihrer Absätze auf der Treppe und verließ vor-
    sichtig sein Versteck. Das Mädchen trat auf die Straße
    und warf dem schwerhörigen Hauswart ein flüchtiges
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    »Auf Wiedersehen« hin. Auch Anwaldt verabschiedete
    sich hastig von ihm, verließ aber nicht ganz so rasch das
    Haus. Er spähte durch das Tor und beobachtete, wie das
    Mädchen in einen schwarzen Mercedes stieg, dessen bärti-
    ger Chauffeur zum Gruß die Kappe lupfte. Langsam rollte
    der Wagen davon. Anwaldt sprang eilig in seinen Adler,
    der Motor heulte auf, als er startete. Verärgert stellte er fest, dass er den Mercedes aus den Augen verloren hatte.
    Er beschleunigte und hätte beinahe einen Herrn mit Zy-
    linder angefahren, der eben die Straße überquerte. Zwei
    Minuten später hatte er jedoch aufgeholt und folgte in si-
    cherem Abstand dem Mercedes auf einer Strecke, die ihm
    bekannt schien: Sonnenplatz und Gräbschener Straße.
    Beide Wagen tauchten in den Strom anderer Autos,
    Droschken und Fiaker ein. Anwaldt konnte in dem Fahr-
    zeug vor ihm nur Nacken und Kopf des Chauffeurs er-
    kennen. (Sie ist müde, sicher hat sie sich auf dem Rücksitz hingelegt.) Sie fuhren die ganze Zeit geradeaus, während Anwaldt die Schilder und Straßennamen im Auge behielt:
    Noch immer befanden sie sich auf der Gräbschener Stra-
    ße. Hinter dem Friedhof, über dessen Mauer ein glattes
    Tympanon hinausragte (sicher das Krematorium, genauso
    eines wie in Berlin) , beschleunigte das Fahrzeug plötzlich und verschwand aus Anwaldts Blickfeld. Er gab Gas und
    brauste über eine Brücke, die einen kleinen Fluss über-
    spannte. Links blitzte das Ortsschild »Breslau« auf. Er
    bog links in die erste kleine Straße ab und befand sich in einer schattigen, wunderschönen Allee, deren ausladende
    Linden und Kastanienbäume die Villen und kleineren
    Häuser verdeckten. Dort stand der Mercedes vor einem
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    kleinen Palais. Anwaldt bog in eine schmale Seitengasse
    ein und

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