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Tod in Breslau

Tod in Breslau

Titel: Tod in Breslau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marek Krajewski
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uns da für
    ein Register gebracht haben.« Hartners Stimme klang
    wenig freundlich. Der Bibliothekar tat, wie ihm geheißen,
    und kehrte an seine Arbeit zurück – während Hartner
    sich gleich daranmachte, die geneigte gotische Schön-
    schrift Smetanas zu entziffern.
    »Ja, meine Herrschaften … seit über einer Woche stu-
    diert Maass bei uns ausschließlich eine einzige Hand-
    schrift aus dem vierzehnten Jahrhundert, die den Titel
    ›Corpus rerum Persicarum‹ trägt. Ich werde mir dieses
    Werk morgen genauer anschauen und die von ihnen ab-
    fotografierte Übersetzung mit dem Original vergleichen.
    Und heute werde ich mir die Schrift auf der Tapete des
    Salonabteils mit den Prophezeiungen dieses unglückli-
    chen Friedländers vornehmen und mich ein bisschen über
    jenen Ibn Sahim schlau machen. Vielleicht kann ich Ih-
    nen übermorgen schon mit den ersten Ergebnissen die-
    nen. Ich werde mich dann mit Ihnen in Verbindung set-
    zen, Herr Kriminaldirektor.« Hartner setzte seine Brille
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    auf und hatte seine Gesprächspartner bereits vergessen.
    In dem Moment, in dem er sich an die Übersetzung ge-
    macht hatte, war seine Leidenschaft für lehrreiche Vor-
    träge vollkommen erloschen. Jetzt richtete er seine ganze
    Aufmerksamkeit auf die blutige Inschrift. Er murmelte
    etwas vor sich hin, vielleicht eine erste, intuitive Hypo-
    these. Mock und Anwaldt erhoben sich, um sich zu ver-
    abschieden, aber Hartner antwortete nicht einmal mehr,
    so sehr war er bereits in seine Aufgabe vertieft.
    »Sehr gefällig, dieser Doktor Hartner. Er hat in seiner
    Position sicherlich viele andere Pflichten. Und trotzdem
    möchte er uns behilflich sein. Wie ist das möglich?« An-
    waldt hatte bemerkt, dass schon seine ersten Worte ein
    merkwürdiges Grinsen auf Mocks Gesicht hervorgerufen
    hatten.
    »Lieber Herbert, es ist ganz einfach so, dass Hartner
    mir einigen Dank schuldet. Und ich kann Ihnen versi-
    chern, seine Dankbarkeit ist so groß, dass er auch die ar-
    beitsintensivste Expertise nicht scheuen wird.«
    IX
    Kanth bei Breslau, Sonntag, 15. Juli 1934.
    Acht Uhr abends

    Baron von Köpperlingk flanierte durch den großen Park,
    der seinen Besitz umgab. Die untergehende Sonne rief bei
    ihm immer dunkle Vorahnungen und ein unbestimmtes
    Gefühl der Sehnsucht wach. Aber heute irritierten ihn die
    durchdringenden Schreie der Pfaue, die um das Palais
    herumspazierten, ebenso wie das Hundegebell und seine
    Freunde, die im Wasser des Bassins herumplantschten.
    Auch die unverschämte Neugier der Dorfkinder, deren
    Augen nichts entging, was sich hinter den Mauern des
    Palais zutrug, raubte ihm die Ruhe. Ihre Blicke schienen
    immer anwesend, auch abends und nachts, sie blitzten
    durch die Bäume und Hecken wie Katzenaugen. Er ver-
    abscheute diese unverschämten, schmutzigen Lümmel,
    die, sobald sie seiner ansichtig wurden, in spöttisches Ge-lächter ausbrachen. Wenn er die Mauer betrachtete, die
    seinen Besitz umgab, wollte ihm scheinen, als könnte er
    die Kinder durch die Steine hindurch sehen und hören.
    Trotz seines heftigen Zorns begab er sich mit würdevol-
    len Schritten ins Palais. Mit einer Handbewegung winkte
    er seinen alten Kammerdiener Josef zu sich.
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    »Wo ist Hans?«, fragte er kühl.
    »Ich weiß es nicht, gnädiger Herr. Er hat einen Tele-
    fonanruf bekommen und hat sofort das Haus verlassen.
    Er war sehr aufgebracht.«
    »Warum hast du mir das nicht gleich mitgeteilt?«
    »Ich habe es nicht für angebracht gehalten, den gnädi-
    gen Herrn während seines Spaziergangs zu beunruhi-
    gen.«
    Der Baron blickte seinen altgedienten Lakaien ruhig an
    und zählte im Geiste bis zehn. Mit aller Beherrschung, zu
    der er noch fähig war, zischte er:
    »Josef, du hast mir jede Information über Hans zu-
    kommen zu lassen, auch wenn du der Ansicht bist, sie sei
    unwesentlich. Wenn du das noch einmal vergessen soll-
    test, dann wirst du als Bettler bei der Fronleichnamskir-
    che enden.«
    Der Baron lief die Auffahrt hinunter in die letzten
    Strahlen der untergehenden Sonne hinein und rief einige
    Male den Namen seines vertrautesten Kammerdieners.
    Aus dem Schatten der Hecke fixierten ihn feindliche Bli-
    cke. Er beschleunigte seinen Schritt und steuerte auf das
    eiserne Tor zu. Die spöttischen Augen verfolgten ihn, die
    dumpfe Abendluft war zum Ersticken. »Hans, wo bist
    du?«, kreischte der Baron. Er geriet auf dem glatten Weg
    ins Stolpern und verlor das Gleichgewicht. »Hans, wo bist
    du, ich kann nicht mehr

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