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Tod in Breslau

Tod in Breslau

Titel: Tod in Breslau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marek Krajewski
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nicht bewusst, dass er halblaut vor sich hin murmelte:
    »Wie soll man so einem Trotzkopf klarmachen, dass
    sein Protest idiotisch ist? Man sollte ihm eine ordentliche Tracht Prügel verpassen, damit er seine Dummheit ein-sieht. Denn ganz sicher wird er nichts verstehen, wenn
    ich zu ihm gehe, ihn auf die Knie nehme und sage: ›Lie-
    ber Klaus, sei froh, dass du nie aus dem Fenster geschaut
    hast, alle vorbeigehenden Männer ansiehst und dir aus-
    nahmslos bei jedem vorstellst: Das ist mein Papa, er ist
    sehr beschäftigt, und deshalb hat er mich in ein Waisen-
    haus gesteckt, aber er wird mich bald hier herausholen.‹«
    VIII
    Breslau, Samstag, 14. Juli 1934.
    Halb drei Uhr nachmittags

    Kurt Smolorz saß auf dem Rasen des Rehdingerplatzes
    und wartete auf Mock. Seine Zweifel, was die Qualität
    seines Berichtes betraf, wuchsen immer mehr. Er hatte
    darin die Ergebnisse der Überwachung von Konrad
    Schmidt, einem kraftvoll zupackenden Gestapo-Mann,
    zusammengefasst, der von Gefängniswärtern und Gefan-
    genen nur »der dicke Konrad« genannt wurde. Der Inhalt
    des Berichts hätte eine wirkungsvolle Methode liefern
    sollen, diesem Mann »eine Schlinge um den Hals« zu le-
    gen – Mock liebte diese Metapher. Aus den von Smolorz
    gelieferten Informationen ging hervor, dass Schmidt ein
    ausgemachter Sadist war, dessen Menge an Fettzellen in
    umgekehrtem Verhältnis zur Anzahl seiner Hirnwindun-
    gen stand. Bevor er im Gefängnis eine Anstellung fand,
    hatte er als Klempner, als Zirkusathlet und als Wächter in der Spiritusbrennerei Kani sein Brot verdient. Wegen
    Weingeistdiebstahls war er im Gefängnis gelandet und
    nach einem Jahr wieder entlassen worden, womit die
    Chronologie seiner Akte abbrach. Alles Nachfolgende be-
    traf Konrad, den Gefängniswärter. In diesem Beruf arbei-
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    tete er nun seit einem Jahr für die Gestapo. Smolorz be-
    trachtete den ersten Eintrag in der Rubrik »persönliche
    Schwächen«: Er lautete »Schnapstrinker«. Ärgerlich ver-
    zog Smolorz das Gesicht. Diese Notiz würde seinen Chef
    kaum zufrieden stellen.
    Schnaps wäre vielleicht ein geeignetes Zwangsmittel
    für einen Alkoholiker gewesen – was Konrad jedoch mit
    Sicherheit nicht war. Die zweite Notiz lautete: »Lässt sich leicht zu Schlägereien hinreißen«. Smolorz konnte sich
    nicht vorstellen, wie man diese Tatsache gegen Schmidt
    verwenden könnte, aber schließlich war es nicht seine
    Aufgabe, sich darüber den Kopf zu zerbrechen. Lediglich
    der dritte und letzte Eintrag ließ etwas Hoffnung auf-
    kommen, dass die intensive Arbeit einer ganzen Woche
    nicht ganz umsonst gewesen war: »Höchstwahrscheinlich
    sexuell abnorm veranlagt, Sadist«.
    Smolorz nahm es Mock auch übel, dass er ihn zu einer
    strikten Befolgung der Dienstvorschriften verdonnert
    hatte. Natürlich hätte er seinem Chef den Bericht lieber
    einfach auf den Schreibtisch gelegt, um dann gemütlich
    irgendwo ein kühles Bier zu sich zu nehmen. Stattdessen
    war er nun dazu angehalten worden, Mock vor dessen
    Haus abzupassen – noch dazu ohne zu wissen, wie lange
    sich diese Warterei hinziehen würde.
    Es sollte nicht lange dauern. Bereits eine Viertelstunde
    später saß Smolorz in Mocks Wohnung vor seinem er-
    sehnten eisgekühlten Bier in banger Erwartung des Ur-
    teils seines Chefs. Dies bezog sich vorwiegend auf stilistische Fragen:
    »Also, was soll das, Smolorz, sind Sie denn nicht im
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    Stande, Ihre Gedanken folgerichtig und in angemesse-
    nem Amtsdeutsch zu verfassen?« Der Direktor lachte
    laut. »In einem halbwegs offiziellen Schreiben müsste es
    heißen: ›Hang zu übermäßigem Branntweingenuss‹ und
    nicht ›Schnapstrinker‹. Aber schon gut, schon gut, ich bin sehr zufrieden. Sie können jetzt nach Hause gehen. Ich
    muss mich ein wenig hinlegen, denn ich habe noch einen
    wichtigen Besuch vor mir.«

    Breslau, 14. Juli 1934.
    Halb sechs Uhr nachmittags

    Der neu ernannte Direktor der Universitätsbibliothek,
    Doktor Leo Hartner, streckte seinen knochigen Körper
    und verfluchte wohl zum hundertsten Mal in Gedanken
    den Architekten, der das barocke Augustinerkloster an
    der Neuen Sandstraße umgebaut hatte, um in dessen
    Mauern die prunkvolle Universitätsbibliothek einzurich-
    ten. Der größte Fehler bestand Hartners Meinung nach
    darin, dass das repräsentative Direktionszimmer nach
    Norden wies – was von allen Besuchern, nicht jedoch von
    Hartner selbst als angenehm empfunden wurde. Seine
    Abneigung gegenüber allen

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