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Tod in Breslau

Tod in Breslau

Titel: Tod in Breslau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marek Krajewski
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dorthin gebracht.«
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    »Wie hieß der Kaufmann?«
    »Das wollte sie nicht sagen.«
    (Ich bin erfolgreicher gewesen als das Büro Huber, ich weiß, wie dieser Kaufmann hieß. Er hieß wie ich, nur ohne das »t« im Nachnamen. Das Berliner Waisenkind und der
    Seidenhändler Mieczysław Anwald aus Poznań. Zwei
    Menschen, zwei Städte, ein Name, ein Todesurteil.)

    Poznań, 17. Juli.
    Sieben Uhr morgens

    Im Stoffmagazin des Mieczysław Anwald in der Ulica
    Północna gleich beim Frachtenbahnhof herrschte schon
    in aller Frühe reger Betrieb. Die Arbeiter trugen Ballen
    hin und her, Fuhrwerke und Lieferwagen fuhren an den
    Rampen vor, ein jüdischer Händler schob einen Bretter-
    wagen vor sich her, ein Handelsvertreter der Breslauer
    Firma »Bielschowsky« wedelte mit seiner Visitenkarte vor
    der Nase eines Fahrers herum, in der Kanzlei klapperten
    die Rechenbretter. Kommissar Banaszak stopfte sich sei-
    ne kleine Elfenbeinpfeife, während Anwaldt im Geiste
    wiederholte: »Es ist reiner Zufall, dass der Sohn von Frau Schlossarczyk und Baron von der Malten wie ich in einem Berliner Waisenhaus aufgewachsen ist, es ist reiner
    Zufall, dass jemand, der meinen Namen trägt, das Kind
    dort abgegeben hat, ich bin nicht der Sohn des Barons, es
    ist reiner Zufall, dass der Sohn von Frau Schlossarczyk
    wie ich in einem …«
    »Was kann ich für Sie tun?« Der stattlich gebaute
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    Kaufmann drehte seine dicke Zigarre zwischen den Fin-
    gern. Er mochte etwa fünfzig Jahre alt sein. »Was ist es, was unser lieber Freund und Helfer von mir möchte?«
    Banaszak stand auf und warf einen unwilligen Blick
    auf den unrasierten Anwaldt, der in einem fort etwas vor
    sich hin flüsterte. Er zog seinen Ausweis hervor, unter-
    drückte ein Gähnen und sagte:
    »Kommissar Banaszak, und das ist Kriminalassistent
    Klaus Überweg aus Breslau. Haben Sie Frau Hanna
    Schlossarczyk aus Rawicz gekannt?«
    »Nein … kenne ich nicht … woher auch?« Der Kauf-
    mann schaute sich nach den Kassiererinnen um, die ihre
    Rechenmaschinen plötzlich zurückhaltender bedienten.
    »Würden Sie mit mir in die Wohnung kommen? Hier ist
    es zu laut.«
    Die Wohnung war groß und gemütlich. Man erreichte
    sie von der Kanzlei durch eine Küchentür. Zwei Dienst-
    mädchen warfen einen flüchtigen Blick auf den jungen
    Mann, für den die Nacht offenbar zu kurz gewesen war,
    aber unter den gestrengen Augen des Hausherrn wandten
    sie sich wieder ihrer Arbeit, dem Rupfen einer fetten En-
    te, zu. Die Schritte der Männer hallten auf dem Sand-
    steinboden. Der Kaufmann bat die beiden Polizisten in
    die Bibliothek, in der die Rücken unberührter Bücher
    verblassten und einige grüne, weich gepolsterte Sessel un-
    ter einer Zimmerpalme zum Lesen einluden. Durch das
    geöffnete Fenster drang der muffige, süßliche Geruch ei-
    ner Fleischerei. Mieczysław Anwald wartete nicht, bis
    Banaszak seine Frage wiederholte.
    »Ja, ich kenne Hanna Schlossarczyk.«
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    »Sprechen Sie Deutsch?« Die Pfeife des Kommissars
    schien verstopft.
    »Ja.«
    »Dann würde ich vorschlagen, dass wir Deutsch spre-
    chen, da Assistent Überweg kein Polnisch versteht.«
    »Bitte, gerne.«
    Banaszaks Pfeife zog wieder, die Bibliothek füllte sich
    mit aromatischem Rauch.
    »Herr Anwald, wir sollten präziser sagen: Sie kannten
    Hanna Schlossarczyk. Ihre Bekannte ist gestern Morgen
    ermordet worden.«
    Mieczysław Anwald zuckte zusammen, sagte aber
    nichts. Anwaldt beendete seinen stillen Kehrreim und
    stellte die erste Frage:
    »Herr Anwald, waren Sie derjenige, der Hanna Schlos-
    sarezyks uneheliches Kind in das Berliner Waisenhaus
    gebracht hat?«
    Der Kaufmann schwieg. Banaszak wurde nervös. Auf
    Polnisch drohte er:
    »Mein Lieber, wenn Sie wollen, dass Ihre Familie von
    der Romanze mit einer Frau von zweifelhaftem Ruf er-
    fährt, wenn Sie wollen, dass Sie von zwei Uniformierten
    aus Ihrer Firma herausgeführt werden, dann brauchen
    Sie nichts anderes zu tun, als weiterhin zu schweigen.«
    Der Hausherr blickte den unrasierten Menschen mit
    den glühenden Augen an und versetzte in schlesisch ge-
    färbtem Deutsch:
    »Also gut: Ja. Ich habe dieses Kind ins Waisenhaus ge-
    bracht.«
    »Warum haben Sie das getan?«
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    »Hanna hat mich darum gebeten. Sie hat es selber
    nicht übers Herz gebracht, das Kind wegzugeben.«
    »Und warum wollte sie sich überhaupt von dem Kind
    trennen?«
    »Herr Assistent …« Banaszak biss sich gerade noch
    rechtzeitig auf die Zunge. Um ein Haar hätte er

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