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Tod in Breslau

Tod in Breslau

Titel: Tod in Breslau Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marek Krajewski
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einbrechende Dunkelheit
    hatte die Einwohner nach draußen gelockt. Ganze Hor-
    den von Halbwüchsigen zogen lärmend durch die Stra-
    ßen und pöbelten die einherstolzierenden Mädchen an.
    In den kalkgeweißten Hauseingängen saßen auf niedri-
    gen Schemeln die Frauen, um zu schwatzen, und vor den
    Lokalen standen schnurrbärtige Männer in eng sitzenden
    Westen, die über ihren Humpen mit schäumendem Bier
    über die polnische Außenpolitik debattierten.
    Direkt neben einer solchen Gruppe kam die Droschke
    zum Stehen. Anwaldt warf dem Kutscher eine Hand voll
    Münzen hin und betrachtete neugierig das Haus, vor dem
    er nun stand. Rynkowa 3.
    Er trat zum Tor und suchte den Hausmeister. Doch
    statt eines Hausmeisters kamen zwei Männer in Hüten
    auf Anwaldt zu. Beide sahen sehr entschlossen drein und
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    stellten Anwaldt offenbar eine Frage, doch er bedeutete
    ihnen mit einer Geste, dass er nichts verstanden habe.
    Auf Deutsch nannte er ihnen das Ziel seiner Suche. Dabei
    fiel der Name Hanna Schlossarczyk. Und das hatte auf
    die Männer eine erstaunliche Wirkung. Schweigend ga-
    ben sie den Weg frei und winkten ihm, er solle nach oben
    kommen. Anwaldt stieg ein wenig unsicher die solide
    Holztreppe in den ersten Stock hinauf, wo es zwei kleine-
    re Wohnungen gab. Eine Tür stand offen, das Licht
    brannte, im Vorzimmer drängten sich einige Männer, die
    den Eindruck erweckten, als seien sie durch nichts in
    Verlegenheit zu bringen. Anwaldts Instinkt täuschte ihn
    nicht: So sahen Polizisten aus, ganz gleich, in welchem
    Teil der Welt man sich befand.
    Einer der beiden Schutzmänner schob Anwaldt sanft
    in die hell erleuchtete Wohnung und wies ihn in eine
    lang gezogene Küche. Dort setzte sich Anwaldt an den
    kleinen Holztisch und steckte sich eine Zigarette an. Aber noch bevor er sich umsehen konnte, betrat ein mittelgro-
    ßer, eleganter Herr die Küche, er war in Begleitung eines
    schmuddeligen, schnurrbärtigen Mannes, der einen Be-
    sen trug. Der Hauswart warf einen Blick auf Anwaldt und
    dann auf den anderen, schüttelte verneinend den Kopf
    und ging wieder hinaus. Der Beamte trat jedoch zu Anwaldt an den Tisch und warf ihm in tadellosem Deutsch
    ein paar Fragen hin.
    »Dokumente? Vor- und Nachname? Grund Ihres
    Kommens?«
    Anwaldt reichte dem Mann seinen Pass und antwortete:
    »Kriminalassistent Anwaldt, Polizeipräsidium Breslau.«
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    »Haben Sie irgendwelche Verwandten in Poznań?«
    »Nein.«
    »Was ist der Grund Ihres Kommens?«
    »Ich suche zwei Mordverdächtige, die vermutlich
    Hanna Schlossarczyk aufsuchen wollten. Und jetzt wüsste
    ich gerne, wer mich verhört.«
    »Kommissar Ferdinand Banaszak von der Poznańer
    Polizei. Ihren Dienstausweis.«
    »Bitte sehr.« Anwaldt bemühte sich, seine Stimme fest
    klingen zu lassen. »Abgesehen davon, was ist das für ein
    Verhör? Bin ich etwa ein Verdächtiger? Darf ich Hanna
    Schlossarczyk nicht wenigstens in einer privaten Sache
    sprechen?«
    Banaszak lachte laut auf.
    »Na, raus mit der Sprache, in welcher privaten Sache
    Sie sie sprechen wollen, oder Sie bekommen ein kleines
    Privatzimmer in dem Gebäude, für das unsere Stadt in
    ganz Polen berühmt ist.« Er hatte noch immer nicht zu
    lachen aufgehört.
    Anwaldt verstand. Wenn ein Polizist aus der größten
    Stadt Westpolens in diesem Nest auftauchte, dann musste
    es einen ernsten Grund dafür geben. Ohne Umschweife
    erzählte er Banaszak alles, nur warum Erkin und Maass
    den unehelichen Sohn von Frau Schlossarezyk suchten,
    verschwieg er. Der Kommissar sah Anwaldt beinahe er-
    leichtert an.
    »Sie haben gefragt, ob Sie mit Hanna Schlossarezyk
    sprechen können. Ich muss Ihnen leider antworten, dass
    das nicht möglich ist. Jemand hat ihr heute Morgen mit
    einer Axt den Schädel eingeschlagen. Und von dem Täter
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    kann der Hausmeister nichts weiter berichten, als dass er
    ein deutsch sprechender Grusine ist.«

    Poznań, Dienstag, 17. Juli 1934.
    Drei Uhr früh

    Anwaldt streckte seine eingeschlafenen Glieder. In dem
    kühlen Verhörzimmer des Poznańer Polizeipräsidiums
    an der Ulica Maja 3 fiel das Atmen gleich viel leichter.
    Banaszak hatte seine Übersetzung der Akte Hanna
    Schlossarezyk ins Deutsche beinahe beendet und schickte
    sich an zu gehen. Nachdem sie von Rawicz nach Poznań
    gefahren waren, hatten sie fast die halbe Nacht damit
    verbracht, das Protokoll zu ordnen. Ihren Aufzeichnun-
    gen war zu entnehmen, dass die Fahndung im Fall
    Schlossarezyk zwischen den Polizeipräsidien in

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