Tod in den Anden
würden sich berühren, sich umarmen, sich ineinander verschlingen, und dann würden er und sie die Welt vergessen und herumtollen und feiern, daß sie zusammen waren.
»Machen wir endlich Schuß, ihr Arschlöcher«, drängte der Eisenfresser. Er hatte seine vorherige Sicherheit verloren, auch er wurde jetzt von Zweifeln und Angst erfaßt. »Durch die frische Luft ist sein Rausch verflogen, er wird alles merken. Das nicht, verdammt nochmal.«
»Wenn Sie den zehnten Teil von alldem glauben würden, dann hätten Sie uns verhaftet und nach Huancayo gebracht«, unterbrach ihn Doña Adriana, die aus ihrer Selbstversunkenheit erwacht war. Sie schaute Lituma mitleidig an. »Hören Sie also auf mit dem Geschwätz, Korporal.«
»Den kleinen Stummen haben Sie beide und diese abergläubischen Indios den apus geopfert«, sagte der Korporal und stand auf. Ihn überkam eine große Erschöpfung. Er setzte sein Käppi auf und fuhr fort: »Das glaube ich, so wahr ich Lituma heiße. Aber ich kann es nicht beweisen, und wenn ich es könnte, würde mir niemand glauben, angefangen bei meinen Vorgesetzten. Ich werde also die Schnauze halten müssen und das Geheimnis mit ins Grab nehmen. Wer wird in diesen Zeiten an Menschenopfer glauben, nicht wahr?«
»Ich glaub daran«, sagte Doña Adriana zum Abschied, während sie die Nase kräuselte und ihm mit der Hand nachwinkte.
»Ich weiß, es scheint seltsam, daß wir in Naccos geblieben sind statt in einem anderen Dorf im Hochland. Aber als die Zeit der Abenteuer vorbei war und das Alter uns in diesem Winkel stranden ließ, war Naccos nicht der trostlose Ort, der es später wurde. Es schien nicht Minute für Minute zu sterben. Zwar wurde das Bergwerk Santa Rita stillgelegt, aber Naccos war ein Durchgangsort; es besaß eine rege Bauerngemeinschaft und einen der besten Märkte in Junín. An den Sonntagen füllte sich diese Straße mit Händlern von überall her, Indios, Mestizen und sogar Herren, die Lamas, Alpakas, Schafe, Schweine, Webstühle, geschorene oder noch ungeschorene Wolle, Mais, Gerste, Reisspinat, Koka, Frauenröcke, Hüte,Westen, Schuhe, Werkzeuge, Lampen kauften und verkauften. Hier wurde alles gekauft und verkauft, was Männer und Frauen brauchten. Damals gab es mehr Frauen als Männer in Naccos, ja, ihr könnt euch die Lippen lecken, ihr geilen Böcke. Dieses Lokal war zehnmal mehr besucht als heute. Dionisio ging einmal im Monat zur Küste hinunter, um sich mit großen Korbflaschen zu versorgen. Mit dem Gewinn konnten wir zwei Treiber für die Maultiere bezahlen, die die Ware auf- und abluden.
Uns beiden gefiel es, daß Naccos ein Durchgangsort war. Immer kamen und gingen hier Fremde, die sich hinauf in die Hochebenen der Kordillere oder hinunter in den Urwald begaben oder die Richtung nach Huancayo und zur Küste einschlugen. Hier haben wir uns kennengelernt, hier hat Dionisio sich in mich verliebt, und hier hat unsere Geschichte begonnen. Schon immer war die Rede von einer Straße gewesen, die den Saumpfad ersetzen sollte. Jahrelang wurde davon geredet, bevor sie beschlossen, sie zu bauen. Schade, daß es zu spät war, als die Arbeiten begannen und ihr mit euren Hacken, Schaufeln und Bohrern hier aufgetaucht seid. Der Tod hatte den Kampf gegen das Leben gewonnen. Es stand geschrieben, daß die Straße nie zu Ende gebaut würde, deshalb erstaunen mich die Gerüchte nicht, die euch nicht schlafen lassen und in den Suff treiben. Daß sie die Arbeiten einstellen und alle entlassen, das sind Dinge, die ich seit langer Zeit in der Ekstase sehe. Ichhöre sie auch, im Herzen, das im Baum schlägt, und in dem des Steines, und ich lese sie in den Eingeweiden des Turmfalken und des Meerschweinchens. Der Tod von Naccos ist beschlossen. Das haben die Geister vereinbart, und so wird es geschehen. Es sei denn . . . Ich sage noch einmal, was ich so oft gesagt habe: Große Übel verlangen große Mittel. Das ist die Geschichte des Menschen, sagt Dionisio. Er hat immer die Gabe der Weissagung besessen; an seiner Seite habe ich sie erworben, er hat sie an mich weitergegeben.
Außerdem besaß Naccos dank dieser Berge eine Aura, magische Kraft. Das ist das Richtige für Dionisio und für mich. Uns beide hat immer die Gefahr angezogen. Stellt sie nicht das wahre Leben dar, das Leben, das sich lohnt? Sicherheit dagegen ist Langeweile, ist Dummheit, ist Tod. Es war kein Zufall, daß pishtacos hierher gekommen sind, so wie der, der Juan Apaza und Sebastián ausgedörrt hat. Der Weiberhengst,
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