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Tod in den Anden

Tod in den Anden

Titel: Tod in den Anden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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reichte ihm eine Schachtel mit schwarzen Zigaretten. »Denken Sie daran, daß Sie bald weggehen, vielleicht in Ihre Heimat, und daß Sie in Zukunft ein ruhigeres Leben führen werden als in Naccos.«
    Lituma nahm eine Zigarette und steckte sie sich in den Mund. Der Kantinenwirt gab ihm Feuer mit einem alten Feuerzeug, an dessen langem Docht eine Flamme hochschlug, die dem Korporal Mund und Nase erhitzte. Er sog tief den Rauch ein und stieß ihn heftig aus, um dann zuzusehen, wie die Rauchspiralen in der reinen, goldenen Luft des glühenden Mittags nach oben stiegen.
    »Wenn ich lebend hier herauskomme, werde ich diese drei in mir tragen, wohin ich auch gehe«, sagte er leise.
    »Vor allem den kleinen Stummen, der verschwand, als er zu Ihnen kam, um Bier zu kaufen, an jenem Abend. Drücke ich mich verständlich aus?«
    »Natürlich versteht er Sie, Herr Korporal«, sagte sein Amtshelfer lachend. »Ein Cusco-Bier, schön kalt und schnellstens. Nicht wahr, du hast doch genau verstanden, kleiner Stummer?«
    Pedrito Tinoco nickte mehrmals, mit diesen raschen identischen Verbeugungen, die Lituma an ein Huhn denken ließen, das Maiskörner vom Boden pickte, nahm die Geldscheine, die der Korporal ihm reichte, drehte sich um, nachdem er sich ein letztesMal verbeugt hatte, und verließ den Posten, um in der mondlosen Nacht zu verschwinden.
    »Wir hätten ihn nicht in dieser Dunkelheit, um diese Zeit losschicken dürfen«, sagte Lituma, Rauch aus Mund und Nase ausstoßend. »Als wir sahen, daß er so lange ausblieb, hätten wir runtergehen müssen, um zu sehen, was los war, warum er nicht zurückkam. Aber da es zu regnen anfing, konnten wir uns nicht aufraffen. Tomasito und ich begannen uns zu unterhalten, und wir dachten nicht mehr daran.«
    Trotz des Regens stieg der kleine Stumme rasch den Berghang hinunter, als hätte er Fuchsaugen und als wüßte er auswendig, wo er auftreten, wo er springen mußte. Er hielt die Geldscheine fest umklammert in der Hand, damit sie ihm nicht entglitten. Schweißgebadet gelangte er an die Tür der Kantine. Er klopfte ein paarmal an, stieß die Tür auf und ging hinein. Ihn empfing eine Masse von Gestalten, deren Umrisse in den Rauchschwaden verschwammen. Seine Nase unterschied Spuren von Schweiß, von Alkohol, von Tabak, von Urin, Exkrement, Samen, von stinkendem, Übelkeit erregendem Erbrochenem. Aber nicht diese Gerüche, auch nicht die Todesstille, die seine Ankunft auslöste, ließen ihn auf der Hut sein, eine unmittelbare Gefahr wittern, sondern die Angst, die sein Instinkt überall gewahrte, eine zähe, flimmernde Angst, die in den Pupillen aller Arbeiter zitterte und die Luft zu tränken schien, als würde sie von den Brettern der Wände, der Theke und vor allem von den angespannten,verzerrten Gesichtern ausgeschwitzt, deren Grimassen und Zuckungen nicht allein das Werk der Trunkenheit waren. Niemand bewegte sich. Alle hatten sich umgewandt und beobachteten ihn. Eingeschüchtert machte Pedrito Tinoco mehrere Verbeugungen vor ihnen.
    »Da ist er, da habt ihr ihn, kein besserer als er.« Doña Adrianas Grabesstimme erklang heiser von der Theke her. »Sie schicken ihn euch, sie haben ihn euch geschickt. Er muß es sein. Er ist es also. Der kleine Stumme, wer wäre besser.«
    »Natürlich werden sie sich gestritten haben«, fügte Lituma hinzu. »Natürlich werden einige gesagt haben, ›einverstanden, er soll es sein‹ und andere, ›nein, armer Kerl, der Depp nicht‹. Ich stelle mir vor, daß wenigstens der eine oder andere von den weniger Betrunkenen Mitleid hatte. Und währenddessen, statt runterzugehen, um nachzusehen, warum er nicht zurückkam, hatten Tomasito und ich uns schlafen gelegt. Oder wir unterhielten uns vermutlich über die Frau, die ihn verlassen hatte, sicher war es so. Auch wir waren Komplizen. Keine Anstifter oder Aufwiegler wie Sie beide. Aber Komplizen durch Unterlassen waren wir wohl, in gewisser Weise.«
    Alle waren sehr betrunken, einige schwankten und lehnten sich an die Wände oder hielten sich gegenseitig fest, um nicht umzufallen. Ihre glasigen, glänzenden Augen durchdrangen die Rauchwolken und musterten Pedrito Tinoco, der, gehemmt, da er sich imMittelpunkt der allgemeinen Aufmerksamkeit sah, und unruhig angesichts der dunklen, vagen Drohung, die er spürte, nicht wagte, auf die Theke zuzugehen. Bis Dionisio ihm entgegenkam, ihn am Arm faßte, ihm einen Kuß auf die Wange gab, etwas, das den kleinen Stummen erst verwirrte und dann in ein nervöses Lachen

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