Tod in den Anden
vergessen.«
»Ich werde sie nie vergessen«, erklärte der Junge. »Besser gesagt, ich will sie nicht vergessen. Nie hab ich gedacht, daß man so glücklich sein kann, Herr Korporal. Vielleicht ist es besser, daß es so gekommen ist. Daß unsere Geschichte so kurz gedauert hat. Wenn wir geheiratet hätten und zusammengeblieben wären, hätte sich auch zwischen uns die Atmosphäre vergiftet, wie bei allen Paaren. Jetzt dagegen habe ich nur gute Erinnerungen an sie.«
»Sie ist mit deinen viertausend Dollars durchgebrannt, nachdem du einen Typen wegen ihr umgelegt und ihr einen neuen Ausweis verschafft hast, und du sprichst nur mit der größten Bewunderung von ihr«, ereiferte sich Lituma. »Du bist ein Masochist, Tomasito.«
»Ich weiß, daß du nicht im Traum daran denken wirst, auf mich zu hören«, sagte plötzlich der dicke Iscariote: er schwitzte und keuchte, und seine ganze große Fleischmasse pulsierte gierig; er hielt eine reisgefüllte Gabel in der Luft und wiegte sie im Rhythmus seiner Worte hin und her. »Aber erlaube mir, daß ich dir einen freundschaftlichen Rat gebe. Weißt du, was ich tun würde, wenn ich in deiner Haut stecken würde?«
»Was denn?«
»Mich rächen.« Iscariote führte die Gabel zum Mund, kaute mit halb geschlossenen Augen, wie in Ekstase, schluckte, trank Bier, fuhr sich mit der Zunge über die dicken Lippen und fügte hinzu: »Diese Gemeinheit müßte sie bezahlen.«
»Und wie?« fragte der Junge. »Ich bin zwar todtraurig und hab einen verdorbenen Magen, aber du bringst mich zum Lachen, Dicker.«
»Indem du sie triffst, wo es ihr am meisten wehtut«, sagte Iscariote keuchend. Er hatte ein großes weißes, blauliniertes Taschentuch aus der Tasche gezogen und wischte sich mit beiden Händen den Schweiß ab. »Indem du sie als Komplizin des Chancho ins Gefängnis bringst. Es ist leicht, du brauchst nur eine Anzeige gegen sie zu erstatten. Und während die Untersuchung gegen sie läuft und während der ganzen Formalitäten mit dem Untersuchungsrichter, ab mit ihr nach Chorillos. Hatte sie nicht panische Angst davor, im Frauengefängnis zu landen? Da würde sie dann ein Weilchen schmoren, als Buße für ihre Undankbarkeit.«
»Ich könnte sie nachts mit einer Leiter und Stricken herausholen. Deine Geschichte interessiert mich, Dicker.«
»In Chorillos richte ich es so ein, daß man sie in der Abteilung der Zambas unterbringt, die es mit Weibern treiben«, erklärte Iscariote, ohne abzusetzen, als hätte er den Plan vollständig durchdacht. »Bei denen wird sie die Engel im Himmel und die Teufel in der Hölle singen hören, Carreñito. Sie haben fast alle die Syphilis, die würden sie ihr also auch anhängen.«
»Das gefällt mir schon weniger, Dicker. Meine Liebste, die Syphilis? Ich würde jedes einzelne dieser Weiber eigenhändig in Stücke reißen.«
»Es gibt eine andere Möglichkeit. Wir suchen sie,wir finden sie, wir bringen sie auf das Revier in Tacora, wo ich einen Kumpel habe. Sie soll die Nacht in der Zelle der Messerstecher, Junkies und Perversen verbringen. Am nächsten Morgen würde sie nicht einmal mehr wissen, wie sie heißt.«
»Ich würde zu ihr in die Zelle gehen und mich niederknien, um sie anzubeten«, sagte der Junge lachend. »Sie ist meine heilige Rosa von Lima.«
»Deshalb hat sie dich verlassen.« Der dicke Iscariote hatte begonnen, sich über den Nachtisch herzumachen, und redete mit vollem Mund, sich verschluckend. »Soviel Hochachtung mögen die Frauen nicht, Carreñito. Sie langweilen sich. Hättest du sie wie der Chancho behandelt, dann hättest du sie hübsch zahm an deiner Seite.«
»Sie gefällt mir so, wie sie ist«, sagte der Junge. »Frech, berechnend und gerieben. Sie gefällt mir mit dem Scheißcharakter, den sie hat. Alles, was sie ist und tut, gefällt mir. Auch wenn Sie es mir nicht glauben, Herr Korporal.«
»Warum soll ich nicht glauben, daß auch du deine fixe Idee hast?« sagte Lituma. »Haben denn nicht alle hier ihre fixe Idee? Sind die Terroristen nicht wahnsinnig? Dionisio, die Hexe, sind sie nicht rettungslos verrückt? War dieser Leutnant Pancorvo, der einen Stummen versengt hat, um ihn zum Reden zu bringen, nicht durchgeknallt? Gibt es größere Spinner als diese Indios, die sich vor mukis und Schlächtern fürchten? Fehlen denen, die Leute verschwinden lassen,um die apus der Berge zu beschwichtigen, nicht ein paar Schrauben? Dein Liebeswahn schadet wenigstens keinem außer dir selbst.«
»Sie dagegen bewahren einen
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