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Tod in den Anden

Tod in den Anden

Titel: Tod in den Anden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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kühlen Kopf in diesem Irrenhaus, Herr Korporal«, sagte sein Amtshelfer.
    »Das wird es sein, warum ich mich in Naccos so fehl am Platz fühle, Tomasito.«
    »Schön, ich gebe mich geschlagen, wir rächen uns nicht, und Mercedes soll ruhig weiter die Welt mit toten Liebhabern und verwundeten Geliebten bevölkern«, sagte der dicke Iscariote. »Wenigstens hab ich deine Laune gehoben. Ich werde dich vermissen, Carreñito, ich hatte mich schon an unsere Zusammenarbeit gewöhnt. Ich hoffe, es ergeht dir gut da oben im Notstandsgebiet. Laß dir von den Terroristen keine reinwürgen. Paß auf dich auf und schreib mir.«
    »Das wird es sein, warum ich es nicht abwarten kann, daß man mich hier rausholt«, fügte Lituma hinzu. »Komm, schlafen wir endlich, es wird bestimmt schon hell. Weißt du was, Tomasito? Du hast mir dein ganzes Leben erzählt. Den Rest kenn ich schon. Du bist nach Andahuaylas gegangen, warst bei Pancorvo, man hat dich hierher versetzt, du hast Pedrito Tinoco mitgebracht, wir haben uns kennengelernt. Worüber werden wir uns verdammt nochmal in den Nächten unterhalten, die wir noch vor uns haben?«
    »Über Mercedes, worüber sonst«, entschied sein Amtshelfer kategorisch. »Ich werde Ihnen meine Liebesgeschichte noch einmal erzählen, von Anfang an.«
    »Du lieber Himmel«, sagte Lituma gähnend, während er seine Pritsche zum Quietschen brachte. »Noch einmal von Anfang an?«

Epilog

X
    Die Gestalt tauchte plötzlich zwischen den Eukalyptusbäumen am gegenüberliegenden Berghang auf, als Lituma die Wäsche abnahm, die er auf einer Schnur zwischen der Tür der Hütte und der zum Schutz des Postens errichteten Palisade aus Sandsäcken und Felssteinen zum Trocknen aufgehängt hatte. Er sah sie im Profil, er sah sie von vorne, vor der roten Kugel, die zwischen den Bergen langsam versank: die untergehende Sonne löste sie auf, verschluckte sie. Aber trotz des grellen Widerscheins, der ihm Tränen in die Augen trieb, trotz der Entfernung wußte er sofort, daß es eine Frau war.
    ›Es ist soweit, sie sind gekommen‹, dachte er. Wie gelähmt fühlte er, daß seine Finger im Kontakt mit der halbtrockenen Unterhose steif wurden. Doch nein, das konnten nicht die Terroristen sein, es war eine einzelne Frau, sie trug keinerlei Waffe, und außerdem wirkte sie verwirrt, als wüßte sie nicht, welche Richtung sie einschlagen sollte. Sie schaute suchend nach rechts und nach links, ging zögernd zwischen den Eukalyptusbäumen hin und her, entschied sich für eine Richtung, um sich dann wieder anders zu besinnen. Bis sie, als wäre es das Ziel, das sie finden wollte, Lituma erblickte. Sie blieb stehen, und obwohl sie zu weitentfernt war, als daß er ihr Gesicht hätte sehen können, war der Korporal sicher, daß es sich aufgehellt hatte, als sie ihn hier, ihr gegenüber, vor der Tür dieser Hütte zwischen der aufgehängten Wäsche erblickte: mit seinen Gamaschen und seiner Hose aus grünem Drillich und seiner aufgeknöpften Uniformjacke, seinem Käppi und seiner Smith and Wesson im Halfter. Denn jetzt winkte sie ihm mit beiden hoch erhobenen Händen zu, als würden sie sich kennen, als wären sie die besten Freunde und hätten eine Verabredung. Wer war sie? Woher kam sie? Wohin wollte sie? Was konnte auf der Höhe dieses Berges, inmitten der Puna, eine weiße Frau verloren haben? Denn auch das erfaßte Lituma sofort: Sie war keine Indiofrau, sie trug keine Zöpfe, keine dicken Röcke, keinen Hut, keinen Umhang, sondern Hosen, einen Pullover und darüber etwas, das eine Jacke oder ein Sakko sein konnte, und was sie in der rechten Hand hielt, war kein Bündel, sondern eine Aktentasche oder ein kleiner Reisekoffer. Sie winkte ihm noch immer fast wütend zu, als sei sie empört über seine fehlende Reaktion. Da hob der Korporal die Hand und winkte zurück.
    Während der halben oder dreiviertel Stunde, die die Frau brauchte, um den Berghang mit den Eukalyptusbäumen herunter- und den Abhang des Postens hinaufzusteigen, konzentrierte Lituma seine Sinne auf die Operation und wies ihr den Weg. Er zeigte ihr mit energischen Armbewegungen, welchem Pfad sie folgen sollte, wo der Weg am besten befestigt, am wenigstenrutschig war, wo sie am wenigsten Gefahr lief, zu fallen und abzustürzen, denn er fürchtete, sie könnte bei einem der Ausrutscher, Stolperschritte und Stürze, die jeden ihrer Schritte in einen Balanceakt verwandelten, in der Tiefe der Schlucht landen. Die war wirklich noch nie in den Bergen unterwegs gewesen.

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