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Tod in den Anden

Tod in den Anden

Titel: Tod in den Anden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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zwischen kleinen Schlucken; ein Wasserfaden lief ihr den Hals herunter. »Ist er nicht krank gewesen?«
    »Tomasito ist ein Felsen, wie soll der krank werden«, beruhigte Lituma sie. »Er wußte nicht, daß Sie kommen würden, nicht wahr?«
    »Ich hab ihm nicht Bescheid gesagt, ich wollte ihn überraschen«, sagte die Frau mit einem verschmitzten Lächeln. »Außerdem kommen hier wahrscheinlich keine Briefe an.«
    »Dann sind Sie also Mercedes.«
    »Hat Carreñito Ihnen von mir erzählt?« fragte sie, während sie einen beunruhigten Blick auf ihn richtete.
    »Na ja, ein bißchen«, sagte Lituma verlegen. »Besser gesagt, wie ein Papagei. Jede Nacht erzählt er mir von Ihnen. Was kann man in dieser Einöde, in der es nichts zu tun gibt, schon anderes machen, als sich vertrauliche Dinge zu erzählen.«
    »Ist er sehr böse auf mich?«
    »Das glaub ich nicht«, sagte Lituma. »Und wenn wir schon von Vertraulichkeiten reden: Ich weiß, daß er in manchen Nächten im Schlaf mit Ihnen spricht.«
    Sofort schämte er sich, daß er das gesagt hatte, und suchte hastig in seiner Uniformjacke nach den Zigaretten. Er zündete ungeschickt eine an, nahm ein paar Züge und begann, Rauch durch Mund und Nase auszustoßen. Ja, es war dieselbe, die Josefino für eine Nacht an die Chunga ausgeliehen hatte, dieselbe, die danach verschwunden war. Mechita. Als er sie anzuschauen wagte, war sie sehr ernst und hielt den Blick prüfend auf den Berghang gerichtet. In ihren Augen lag Unruhe. ›Mit Recht hast du so um sie geweint, Tomasito‹, dachte Lituma. Was für Zufälle gab es doch im Leben, Teufel nochmal.
    »Sind nur Sie beide hier?« fragte Mercedes, auf den Posten weisend.
    Lituma nickte, während er Rauch ausstieß.
    »Und wir gehen bald, Gott und dem huayco sei Dank. Wir hätten das hier nicht viel länger ausgehalten.« Er nahm einen tiefen Zug aus der Zigarette. »Der Posten wird geschlossen. Das Lager auch. Sie haben schon angefangen, das wenige abzubauen, das noch übrig ist. Naccos wird verschwinden. Stand das mit dem huayco in Lima nicht in den Zeitungen? Er hat Maschinen zerstört, eine Planierraupe begraben, die Arbeit von sechs Monaten zunichte gemacht.Aber zum Glück ist niemand dabei umgekommen. Tomás wird es Ihnen erzählen, er hat von hier aus gesehen, wie die Steine runterkamen. Das sind unsere letzten Tage hier in Naccos. Mich hat der huayco dort oben erwischt, fast hätte er mich auf seiner Sturzfahrt mitgerissen.«
    Aber Mercedes hatte nur einen Gedanken im Kopf.
    »Wenn er von mir träumt, dann wird er mich nicht mehr so hassen für das, was ich ihm angetan habe.«
    »Im Gegenteil, Tomás liebt Sie sehr. Ich habe noch nie jemanden erlebt, der so verliebt gewesen wäre wie er in Sie. Das schwör ich Ihnen.«
    »Hat er das Ihnen so gesagt?«
    »Er hat es mir zu verstehen gegeben«, erwiderte der Korporal vorsichtig. Er warf ihr einen Blick aus dem Augenwinkel zu. Sie war noch immer sehr ernst und forschte mit ihren grüngrauen Augen den Berghang von einem Ende zum anderen aus. ›Was für wunderbare Dinge mag Tomasito in diesen Augen gesehen haben, wenn er ihnen ganz nah war‹, dachte er.
    »Ich liebe ihn auch sehr«, murmelte Mercedes, ohne Lituma anzusehen. »Aber er weiß es noch nicht. Ich bin gekommen, um es ihm zu sagen.«
    »Sie werden ihm die größte Freude seines Lebens bereiten. Tomás empfindet für Sie mehr als Liebe, fast schon etwas Krankhaftes, das schwör ich Ihnen.«
    »Er ist der einzige anständige Mann, dem ich begegnet bin«, sagte Mercedes leise. »Er wird doch bestimmt zurückkommen, nicht?«
    Sie verharrten stumm und beobachteten beide den Grund der Schlucht, auf der Suche nach Tomás. Es dunkelte dort unten, sie würden ihn erst auftauchen sehen, wenn er schon den halben Berg erklommen hätte. Es begann auch kalt zu werden. Lituma sah, daß Mercedes das Sakko zuknöpfte, das Revers hochschlug und sich ein wenig zusammenkauerte. Wie gut es sein Amtshelfer hatte, ein simpler Gendarm – und eine phantastische Frau machte sich die Mühe, bis hierher ans Ende der Welt zu kommen, um ihm zu sagen, daß sie ihn liebte. Du hast es also bereut, daß du ihn verlassen hast. Ob sie wohl die viertausend Dollar bei sich hatte? Du wirst vor Glück in Ohnmacht fallen, Tomasito.
    »Es war sehr mutig von Ihnen, ganz allein von der Piste hierherzulaufen, mitten in der Puna«, sagte der Korporal. »Der Weg ist nicht markiert, Sie hätten sich verlaufen können.«
    »Ich hab mich verlaufen«, sagte sie lachend.

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