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Tod in den Anden

Tod in den Anden

Titel: Tod in den Anden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Eingeweide‹, ›Halt den Mund oder ich schlag dir den Schädel ein‹«, fiel Lituma ihm ins Wort. »Das wäre witzig gewesen, Tomasito.«
    »Genau das hat sie zu mir gesagt, Herr Korporal. Und wir bekamen beide einen Lachanfall. Wir haben gelacht und uns immer wieder gegenseitig angesteckt. Wir wurden ernst und mußten gleich wieder lachen.«
    »Ja, das wäre witzig gewesen, wenn ich dich geschlagen hätte«, gab der Junge zu. »Manchmal ist mir danach, ich geb’s zu, wenn du mich ausschimpfst, weil ich dir was Gutes tun wollte. Ich werde dir was sagen. Ich weiß nicht, was jetzt aus meinem Leben wird.«
    »Und aus meinem?« erwiderte sie. »Du hast wenigstens diesen Blödsinn gemacht, weil dir danach war. Mich hast du in den Schlamassel reingezogen, ohne mich nach meiner Meinung zu fragen. Sie werden uns suchen, vielleicht bringen sie uns um. Und niemand wird glauben, was wirklich passiert ist. Sie werden sagen, daß du für die Polizei arbeitest, daß ich deine Komplizin bin.«
    »Wußte sie denn nicht, daß du Gendarm bist?« fragte Lituma erstaunt.
    »Und ich weiß noch nicht mal, wie du heißt«, bemerkte der Junge.
    Stille trat ein, als sei der Motor ausgegangen, aber er begann sogleich wieder zu dröhnen, zu sieden. Tomás schien, als gehörten die kleinen Lichter dort oben zu einem Flugzeug.
    »Mercedes.«
    »Ist das dein richtiger Name?«
    »Ich hab nur einen«, sagte sie verärgert. »Und damit das klar ist, ich bin keine Nutte. Ich war seine Freundin. Er hat mich aus einer Show herausgeholt.«
    »Aus dem Vacilón , einem Nachtklub im Zentrum von Lima«, erklärte der Gendarm. »Sie war eine von vielen. Der Chancho hatte einen Haufen Geliebte. Iscariote wußte von etwa fünf.«
    »Der Glückspilz«, seufzte Lituma. »Fünf auf einmal! Jeden Tag, jede Nacht die Frau wechseln wie die Hose oder das Hemd. Und du und ich, wir darben hier vor uns hin, Tomasito.«
    »Mir taten die Rückenknochen weh«, fuhr sein Amtshelfer in seinen Erinnerungen fort. »Es war unmöglich, den Fahrer zu überreden, uns ins Führerhaus zu lassen. Er hatte Angst, wir würden ihn überfallen. Wir waren völlig kaputt. Und ich war von Zweifeln zerfressen bei dem Gedanken an das, was Mercedes gesagt hatte. War dieses ganze Gejammere wirklich nur Theater, um ihn zu erregen? Was glauben Sie, Herr Korporal?«
    »Ich weiß nicht, was ich dir sagen soll, Tomasito. Vielleicht war es ja Theater. Er spielte den Schläger, sie die Jammernde, und dann wurde er geil, und es kam ihm. Es gibt so Typen, sagt man.«
    »Was für ein dreckiges Schwein«, knurrte sein Amtshelfer. »Mausetot ist er, verdammt.«
    »Und trotz allem hast du dich in Mercedes verliebt. Wie kompliziert ist doch das mit der Liebe, Tomasito.«
    »Wem sagen Sie das«, murmelte der Gendarm. »Ohne die Liebe wäre ich nicht hier in dieser gottverlassenen Hochebene und würde darauf warten, daß ein paar fanatisierte Arschlöcher die Güte haben, uns umzulegen.«
    »Hörst du was? Ich werde mal nachschauen, für alle Fälle.« Lituma spitzte die Ohren. Er erhob sich mit dem Revolver in der Hand und ging zur Tür der Hütte. Er spähte in alle Richtungen. Dann kehrte er lachend zu seiner Pritsche zurück. »Nein, sie sind es nicht. Mir war, als würde ich den kleinen Stummen sehen, wie er im Mondlicht scheißt.«
    Was würde jetzt aus ihm werden? Lieber nicht daran denken. In Lima ankommen, dort weitersehen. Könnte er nach dem Vorgefallenen seinem Paten gegenübertreten? Das wäre natürlich der bitterste Tropfen. Der hatte sich immer höchst anständig verhalten, und wie hast du ihm das vergolten. So was nennt man eine Riesendummheit, Carreño. Ja, aber es machte ihm nichts aus. Er fühlte sich besser, jetzt, hin und her geworfen von den schlingernden Bewegungen, während er ab und zu ihren Körper streifte; sehr viel besser als in Tingo María, wo er zitternd, schwitzend, nach Luft ringend, dicht an der dünnen Holzwanddieses Hauses ihre Schweinereien gehört hatte. All dieses Wimmern, Flehen, diese Schläge und Drohungen reines Theater, reine Lüge? Vorgetäuscht. Oder plötzlich war es so.
    »Ich empfand nicht die geringste Reue, Herr Korporal, das ist die Wahrheit«, erklärte Tomás. »Egal, was nun aus mir werden mochte. Denn ich war schon in sie verliebt, wie Sie erraten haben.«
    Beide wurden sie schläfrig durch das Gerüttel und den süßlichen Duft der Mangos. Mercedes versuchte, den Kopf auf einen Sack zu stützen, aber das Geholper des Lastwagens ließ es nicht zu.

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