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Tod in den Anden

Tod in den Anden

Titel: Tod in den Anden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Nebentisch.
    »Ich seh schon, meine Erklärung mit dem pishtaco überzeugt Sie nicht«, sagte Dionisio lachend.
    Er war ein Mann mit schwärzlichem Gesicht, das aussah, als würde er es sich mit Kohle einreiben, gedrungen und aufgedunsen, mit fettigem, krausem Haar. Eingezwängt in einen blauen Pullover, den er nie auszog, hatte er stets vom Alkohol gerötete, glänzende Augen, denn er trank genauso viel wie seine Kunden. Allerdings ohne jemals völlig betrunken zu werden. Zumindest hatte Lituma ihn niemals in dem Zustand alkoholischer Zersetzung gesehen, den so viele Hilfsarbeiter am Samstagabend erreichten. Er hatte gewöhnlich in voller Lautstärke Radio Junín aufgedreht, aber heute abend hatte er den Apparat noch nicht angestellt.
    »Glaubt ihr an pishtacos ?« fragte Lituma die Leute am Nebentisch. Die vier Gesichter, die sich zu ihmumwandten, halb von den langen Schals verdeckt, waren die nämlichen nach einem Einheitsmuster geformten Gesichter, die zu unterscheiden ihm so schwerfiel: von der starken Sonne und der schneidenden Kälte geschwärzt, die kleinen Augen ausdruckslos, scheu, Nasen und Lippen rotblau verfärbt durch die Unbilden der Witterung, widerborstiges Haar.
    »Wer weiß«, antwortete schließlich einer von ihnen.
    »Vielleicht.«
    »Ich glaube daran«, sagte nach einer Weile einer von denen mit Helm. »Wenn man so viel über sie redet, wird es sie wohl geben.«
    Lituma schloß halb die Augen. Da war er. Ein Fremder. Ein halber Gringo. Auf den ersten Blick sah man es ihm nicht an, denn er glich jedem anderen Bewohner dieser Welt. Er lebte in Höhlen und verübte seine Missetaten bei Einbruch der Dunkelheit. Er bezog Stellung am Wegrand, hinter Felsen, niedergeduckt im Punagras oder unter den Brücken, und wartete auf einsame Reisende. Er näherte sich ihnen hinterlistig, indem er freundlich tat. Er hielt sein Pulver aus Totenknochen bereit und warf es ihnen, ehe sie sich’s versahen, ins Gesicht. Dann konnte er ihnen das Fett aussaugen. Danach ließ er sie ziehen, leer, nur Haut und Knochen, dazu verurteilt, in Stunden oder Tagen zu verenden. Das waren die guten. Sie suchten Menschenfett, damit die Kirchenglocken besser klangen, die Traktoren wie geschmiert fuhren und, in der letzten Zeit, sogar damit die Regierung mit ihm die Auslandsschuldenbezahlen konnte. Die bösen waren schlimmer. Sie schnitten dem Opfer nicht nur die Kehle durch, sondern zerteilten es wie ein Rind, einen Schafsbock oder ein Schwein und aßen es auf. Sie ließen es Tropfen für Tropfen ausbluten, sie betranken sich an seinem Blut. Die Indios glaubten diese Sachen, nicht zu fassen. Ob es stimmte, daß die Hexe Doña Adriana einen pishtaco umgebracht hatte?
    »Casimiro Huarcaya war ein Albino«, sagte leise der Hilfsarbeiter, der als erster gesprochen hatte. »Es könnte stimmen, was Dionisio gesagt hat. Sie haben ihn vielleicht für einen pishtaco gehalten, und bevor er ihnen das Fett rausschneiden konnte, haben sie ihn abgemurkst.«
    Seine Tischgefährten gaben murmelnd und lachend ihre Zustimmung zu erkennen. Lituma spürte, wie sein Puls sich beschleunigte. Huarcaya hatte genau wie sie Steine geklopft, geschuftet und geschwitzt auf der halbfertigen Straße; jetzt war er tot oder entführt. Und diese Mistkerle erlaubten sich den Luxus, Scherze zu machen.
    »Euch ist die Sache scheißegal«, sagte er tadelnd. »Was dem Albino passiert ist, kann euch auch passieren. Und wenn die Terroristen heute nacht in Naccos einfallen und Volksgericht abhalten wie in Andamarca? Würdet ihr gerne als Vaterlandsverräter oder warme Brüder zu Tode gesteinigt werden? Würdet ihr gerne als Säufer ausgepeitscht werden?«
    »Da ich weder Säufer noch Vaterlandsverräter, nochein warmer Bruder bin, würde mir das nicht gefallen«, sagte der, der zuvor gesprochen hatte.
    Seine Tischgenossen quittierten seine Worte prustend und indem sie sich gegenseitig mit den Ellbogen anstießen.
    »Das in Andamarca ist eine traurige Sache«, sagte, nunmehr ernst, einer, der bislang nicht gesprochen hatte. »Aber wenigstens waren dort alle Peruaner. Schlimmer finde ich die Sache in Andahuaylas. Diese beiden jungen Franzosen, das soll mir mal einer erklären. Warum sie in die Sache reinziehen? Nicht mal die Ausländer werden verschont.«
    »Als Kind habe ich an pishtacos geglaubt«, unterbrach ihn der Gendarm Carreño, an den Korporal gewandt. »Meine Großmutter hat mir damit Angst eingejagt, wenn ich ihr Ärger machte. Ich hab in meiner Kindheit jeden in

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