Tod in den Anden
sich im Posten einsperrt, ohne ab und zueinen zu trinken. Natürlich passieren schreckliche Dinge. Dionisio wird sie nach Lust und Laune betrunken machen, und dann werden sie sich alle in den Arsch ficken. Soll ich Ihnen was sagen, Herr Korporal? Mir tut es nicht leid, wenn Sendero einen Schwulen hinrichtet.«
»Das Seltsame ist, daß mir eher all diese Indios ein bißchen leid tun, Tomasito. Obwohl sie so verquer sind. Ihr Leben ist traurig, oder? Sie schuften wie die Maultiere und verdienen kaum genug zum Essen. Sie sollen sich ruhig ein bißchen amüsieren, wenn sie können, bevor die Terroristen ihnen die Eier abschneiden oder ein Oberleutnant Pancorvo kommt und sie seiner Behandlung unterzieht.«
»Und unser Leben, ist das etwa nicht traurig, Herr Korporal? Aber wir betrinken uns nicht wie Tiere und lassen uns auch nicht von diesem Abartigen befummeln.«
»Wart ein paar Monate, wer weiß, Tomasito.«
Der Boden war voller Pfützen nach dem Regen am Nachmittag. Sie kamen sehr langsam voran. Eine ganze Weile liefen sie schweigend.
»Du wirst sagen, daß ich mich nicht in Dinge einmischen soll, die mich nichts angehen, Tomasito«, sagte Lituma plötzlich. »Aber da du mir sympathisch bist und der Anis mir die Zunge löst, werd ich es dir sagen. Gestern nacht hab ich gehört, wie du geweint hast.«
Er merkte, daß der Junge aus dem Tritt kam, als sei er gestolpert. Sie hatten ihre Taschenlampen angeknipst.
»Wenn es nötig ist, weinen auch Männer«, fuhr Lituma fort. »Du brauchst dich also nicht zu schämen. Tränen machen niemanden zur Tunte.«
Sie stiegen weiter den Berg hinauf, ohne daß der junge Gendarm den Mund aufmachte. Ab und zu ergriff der Korporal wieder das Wort.
»Manchmal, wenn ich denke: ›Du wirst nie lebend aus Naccos rauskommen, Lituma‹, kommt die Verzweiflung über mich. Ich würde am liebsten laut weinen, genau wie du. Schäm dich nicht. Ich hab es dir nicht gesagt, damit du dich blöd fühlst. Nur weil es nicht das erste Mal ist, daß ich dich höre. Auch neulich nacht habe ich dich gehört, obwohl du dich beim Weinen gegen die Matratze gedrückt hat. Es macht mir was aus, daß du so leidest. Ist es, weil du nicht in diesem Kaff sterben willst? Wenn es das ist, dann versteh ich dich. Aber kann es nicht sein, daß es dir schlecht bekommt, so viel an Mercedes zu denken? Du erzählst mir von deiner Liebe, ich diene dir eine Weile als Vertrauter, aber danach bist du ein Häufchen Elend. Vielleicht wäre es besser, wenn du mir nichts mehr von ihr erzählst, wenn du sie vergißt, Tomasito.«
»Ich bin doch froh, wenn ich Ihnen von Mercedes erzählen kann«, ließ sich schließlich die verwirrte Stimme seines Amtshelfers vernehmen. »Ich weine also im Schlaf? So was, dann bin ich anscheinend doch nicht so abgehärtet.«
»Machen wir die Taschenlampen aus«, flüsterte Lituma.»Ich habe immer gedacht, wenn sie uns einen Hinterhalt legen, dann in dieser Kurve.«
Sie kamen auf den beiden Wegen nach Andamarca, auf denen man die Ortschaft erreichen konnte – die einen vom Negromayo herauf, die anderen, nachdem sie den Pumarangra durchwatet und Chipao umgangen hatten –, und auf einem dritten, den sich diejenigen suchten, die von dem mit Andamarca verfeindeten Nachbarort Cabana herkamen, und der die Schlucht des singenden Baches erklomm (so heißt er im archaischen Quechua, das in der Gegend gesprochen wird). Sie trafen beim ersten Tageslicht ein, bevor die Bauern hinaus zu ihren Saatfeldern und die Hirten zu ihren Herden gingen und die durchreisenden Händler ihren Weg nach Puquio oder San Juan de Lucanas im Süden oder nach Huancasancos und Querobamba fortsetzten. Sie waren die ganze Nacht unterwegs gewesen oder hatten in der Umgebung übernachtet und auf ein wenig Helligkeit gewartet, um das Dorf zu besetzen. Sie wollten verhindern, daß einer der auf der Liste Stehenden im Schutz der Dunkelheit entkam.
Aber einer entkam, einer von denen, die sie besonders gern abgeurteilt hätten: der stellvertretende Gouverneur von Andamarca. Und auf so absurde Weise, daß die Leute es später kaum glauben konnten. Nämlich dank eines unkontrollierbaren Durchfalls, der Don Medardo Llantac die ganze Nacht zwang, immerwieder im Laufschritt das Gemeinschaftsschlafzimmer seines in der Verlängerung des Jirón Jorge Chávez gelegenen Quartiers zu verlassen, das er mit seiner Frau, seiner Mutter und sechs seiner Kinder teilte, und sich draußen vor seinem Haus an der kleinen Mauer niederzuhocken, die an den
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