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Tod in den Anden

Tod in den Anden

Titel: Tod in den Anden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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den Revisionismus verkaufte und Tag und Nacht darauf hinarbeitete, daß die Reichen noch reicher und die Armen noch ärmer wurden. Waren diese Schweine nicht nach Puquio gegangen, um von den Behörden zu verlangen, sie sollten die Gendarmerie schicken, angeblich, um Andamarca zu schützen? Hatten sie die Bewohner nicht aufgefordert, den Militärpatrouillen die Sympathisanten der Revolution zu verraten?
    Sie wechselten sich ab und erklärten geduldig die wirklichen oder möglichen Verbrechen, die diese Handlanger einer über und über mit Blut besudelten Regierung, diese Komplizen der Repression und der Folter, an allen und jedem einzelnen der Anwesenden, an seinen Kindern und Kindeskindern verübt hatten. Sie informierten sie und forderten sie auf teilzunehmen, ohne Angst vor Repressalien zu sprechen, denn der bewaffnete Arm des Volkes beschütze sie.
    Allmählich, nachdem sie ihre Verwirrung überwunden hatten, getrieben von der eigenen Angst, der aufgeheiztenAtmosphäre und dunklen Motiven – alte Streitereien, untergründiges Ressentiment, dumpfer Neid, Haß zwischen Familien –, faßten die Einwohner sich ein Herz und baten ums Wort. Es stimme, Don Sebastián verhalte sich schäbig gegenüber denen, die ihm die Arzneien nicht mit klingender Münze bezahlen konnten. Wenn sie ihm das Geld nicht am gleichen Tag zurückzahlten, behielt er das Pfand, sosehr sie ihn auch anflehten. Er zum Beispiel, damals . . . Um die Mittagszeit hatten bereits zahlreiche Bewohner von Andamarca gewagt, auf die Mitte des Platzes hinauszutreten, ihre Klagen vorzubringen, ihre Beschuldigungen zu äußern und auf die bösen Nachbarn, die falschen Freunde, die bösen Verwandten zu zeigen. Sie erhitzten sich, wenn sie ihre Reden hielten; ihre Stimme zitterte, wenn sie von den Kindern erzählten, die sie verloren hatten, von den toten Tieren infolge der Dürre und der Seuchen und daß es jeden Tag weniger Käufer, mehr Hunger, mehr Kranke, mehr Kindergräber auf dem Friedhof gab.
    Alle wurden sie verurteilt, durch einen Wald von Händen. Viele Angehörige der Angeklagten hoben ihre Hand nicht bei der Abstimmung, aber sie wagten auch nicht, zu ihren Gunsten zu sprechen, erschreckt durch die Erbitterung und Feindseligkeit, die die Beschuldigten im Lauf der Zeit heraufbeschworen hatten.
    Zu ihrer Hinrichtung ließen sie sie niederknien und den Kopf auf die Schutzmauer des Wasserbrunnensstützen. Sie hielten sie gut fest, während die Einwohner, der Reihe nach, mit den Steinen auf sie einschlugen, die sie von der Baustelle neben dem Gemeindehaus genommen hatten. Die Miliz beteiligte sich nicht an den Exekutionen. Nicht ein Schuß wurde abgefeuert. Nicht ein Messer wurde gezückt. Nicht ein Machetenhieb wurde ausgeteilt. Nur Hände, Steine und Knüppel wurden eingesetzt: sollte man die Munition des Volkes etwa für Ratten und Skorpione verschwenden? Dadurch, daß die Bewohner von Andamarca handelten, teilnahmen, die Gerechtigkeit des Volkes praktizierten, würden sie ein Bewußtsein ihrer Macht erlangen. Von diesem Ziel gab es kein Zurück. Sie waren keine Opfer mehr, sie verwandelten sich schon in Befreier.
    Danach wurde den schlechten Bürgern, den schlechten Ehemännern, den schlechten Ehefrauen, den Parasiten der Gesellschaft, den Entarteten, den Huren, den Schwulen, den Würdelosen von Andamarca der Prozeß gemacht, dem verfaulten Bodensatz, den das feudale kapitalistische System, unterstützt vom nordamerikanischen Imperialismus und vom sowjetischen Revisionismus, nährte, um den kämpferischen Geist der Massen einzuschläfern. Auch das würde sich ändern. Im läuternden Flurbrand der Revolution würde der egoistische bürgerliche Individualismus verbrennen und der kollektivistische Geist und die Klassensolidarität entstehen.
    Die Bewohner taten, als würden sie mehr hören, alssie hörten, mehr verstehen, als sie verstanden. Aber nach den morgendlichen Ereignissen waren sie übererregt, benommen und verstört genug, um sich ohne Umschweife an der zweiten Zeremonie zu beteiligen, die ihnen und ihren Kindern und Enkeln als die stürmischste Episode der Geschichte von Andamarca im Gedächtnis bleiben sollte.
    Die erste, die sich von den mahnenden Worten der bewaffneten, abwechselnd sprechenden Frauen und Männer ermuntert fühlte und den anklagenden Zeigefinger hob, war Señora Domitila Chontaza. Jedesmal wenn ihr Mann etwas getrunken habe, trete er sie mit den Füßen, bis sie über den Boden rolle, und nenne sie »Teufelsscheiße«. Er,

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