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Tod in den Anden

Tod in den Anden

Titel: Tod in den Anden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Friedhof grenzte. Dort war er gerade dabei zu drücken, eine wäßrige Pestilenz aus sich herauslaufen zu lassen und seinen Magen zu verfluchen, als er sie hörte. Sie traten die Tür mit einem einzigen Fußtritt ein und riefen laut schreiend nach ihm. Er wußte, wer sie waren und was sie wollten. Er erwartete sie, seit der Unterpräfekt der Provinz ihn beinahe mit Gewalt zum stellvertretenden Gouverneur von Andamarca gemacht hatte. Ohne auch nur seine Hose hochzuziehen, warf Don Medardo sich auf den Boden, kroch wie eine Raupe bis zum Friedhof und glitt in ein am Vorabend ausgehobenes Grab, dessen provisorische Grabplatte er zur Seite schob und wieder über sich zog. Zusammengeduckt auf den vereisten Überresten von Don Florisel Aucatoma, seinem Vetter, verharrte er den Vormittag und den Nachmittag, ohne etwas zu sehen, aber nicht ohne etliches von dem zu hören, was in dem Dorf geschah, dessen höchster politischer Repräsentant er theoretisch war.
    Die von der Miliz kannten die Ortschaft oder waren von ihren Komplizen aus der Nachbarschaft gut beraten worden. Sie stellten Wachposten an allen Ortsausgängen auf, während die Kolonnen in perfekterzeitlicher Übereinstimmung die fünf parallelen Straßenzüge mit ihren Hütten und kleinen Häusern durchkämmten, die sich in Karrees um die Kirche und um den Dorfplatz ausbreiteten. Einige trugen Turnschuhe und andere Gummisandalen, ein paar gingen barfuß, und man hörte ihre Schritte nicht in den Straßen von Andamarca, die asphaltiert waren oder aus Erde bestanden, mit Ausnahme der Hauptstraße, dem Jirón Lima, der mit unbehauenen Steinen gepflastert war. In Gruppen von drei und vier holten sie gezielt die Leute der Liste aus ihrem Schlaf. Sie nahmen den Bürgermeister, den Friedensrichter, den Leiter des Postamtes, die Besitzer der drei Lebensmittelläden und deren Frauen, zwei aus der Armee Entlassene, den Apotheker und Geldverleiher Don Sebastián Yupanqui und die beiden Experten gefangen, die von der Agrarbank hergeschickt worden waren, um die Bauern über Bewässerung und Düngung zu instruieren. Mit Stößen und Fußtritten trieben sie sie zum Platz vor der Kirche, wo der Rest der Miliz die Dorfbewohner versammelt hatte.
    Zu diesem Zeitpunkt war es bereits hell geworden, und man konnte ihre Gesichter sehen. Sie waren unverhüllt, mit Ausnahme von zweien oder dreien, die ihre Wollkapuzen trugen. In ihren Reihen überwogen die jungen Burschen und die Männer, aber es gab auch Frauen und Kinder, von denen einige keine zwölf Jahre alt sein mochten. Diejenigen, die nicht mit Maschinenpistolen, Gewehren oder Revolvern bewaffnet waren,trugen alte Jagdflinten, Knüppel, Macheten, Messer, Steinschleudern und, quer über die Brust wie die Bergarbeiter, Sprengpatronen. Sie hatten auch rote Fahnen mit Hammer und Sichel bei sich, die sie am Glockenturm der Kirche, an der Fahnenstange des Gemeindehauses und an der Krone eines Pisonay-Baumes mit roten Blüten hißten, der das Dorf überragte. Während die Prozesse stattfanden – sie gingen mit System vor, als hätten sie das alles schon mehrmals getan –, malten einige auf die Häuserwände von Andamarca Hochrufe auf den bewaffneten Kampf, den Volkskrieg, den Marxismus-Leninismus-Leitgedanken des Vorsitzenden Gonzalo und Nieder-mit-Parolen gegen den Imperialismus, den Revisionismus und die Verräter und Spitzel des völkermordenden und arbeiterfeindlichen Regimes.
    Bevor sie anfingen, sangen sie Hymnen an die proletarische Revolution, in Spanisch und Quechua, worin sie verkündeten, daß das Volk dabei war, die Ketten zu sprengen. Da die Einwohner den Text nicht kannten, mischten sie sich unter sie, ließen sie die Strophen wiederholen und summten ihnen die Melodien vor.
    Danach begannen die Prozesse. Außer denen, die auf der Liste standen, mußten sich vor dem Gericht – das aus dem ganzen Dorf bestand – auch andere verantworten, die des Diebstahls, der Mißhandlung von Schwachen und Armen, des Ehebruchs und individualistischer Laster angeklagt waren.
    Sie sprachen abwechselnd Spanisch und Quechua. Die Revolution habe eine Million Augen und eine Million Ohren. Niemand könne hinter dem Rücken des Volkes handeln und der Strafe entgehen. Diese dreckigen Hunde hatten es versucht, und hier waren sie nun und flehten auf Knien um das Erbarmen derer, denen sie den Dolch in den Rücken gestoßen hatten. Diese Hyänen dienten der Marionettenregierung, die Bauern mordete, auf Arbeiter schoß, das Land an den Imperialismus und

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