Tod in den Anden
denken: ›Wenn ich die Hand ausstrecke, berühr ich sie.‹«
»Erzähl weiter, komm. Ich sitze wie auf heißen Kohlen, Tomasito.«
»Hast du es getan, weil ich dir gefallen habe?« fragte Mercedes ihn plötzlich. »Als du mich am Flughafen in Tingo María abgeholt hast, mit dem Dicken? Hast du da einen Blick auf mich geworfen?«
»Ich hatte dich schon vorher gesehen«, sagte Carreño leise und fühlte, daß sein Mund beim Sprechen weh tat. »Im letzten Monat, als du nach Pucallpa gereist bist, um die Nacht mit dem Chancho zu verbringen.«
»Du warst das, der ihn in Pucallpa bewachte? Deshalb also kam mir dein Gesicht bekannt vor, als ich dich in Tingo María gesehen habe.«
»In Wirklichkeit erinnerte sie sich nicht, daß ich sie auch bei der ersten Reise abgeholt hatte«, sagte sein Amtshelfer. »Daß ich auch das Haus in Pucallpa bewacht habe, zwischen dem Fluß und der Holzhandlung, die ganze Nacht. Und gehört habe, wie er sie schlug. Und gehört habe, wie sie ihn anflehte.«
»Wenn das nicht in einem Fick endet, dann bekommst du Prügel«, warnte ihn Lituma.
»Natürlich, deswegen kam mir dein Gesicht bekannt vor, das ist es«, fuhr sie fort. »Aber dann hast du ja deinen Anfall nicht aus Ekel bekommen oder wegen der Religion. Du hattest schon einen Blick auf mich geworfen. Der Grund war, daß ich dir gefallen habe. Du hast es aus Eifersucht getan. Hast du deshalb auf ihn geschossen, Carreñito?«
»Die Scham brannte mir im Gesicht, Herr Korporal. Wenn sie weiter so redet, bring ich sie mit einer Ohrfeige zum Schweigen, dachte ich.«
»Du hast dich in mich verliebt«, erklärte Mercedes, halb verärgert, halb mitleidig. »Jetzt versteh ich allmählich. Wenn Männer sich verlieben, machen sie die verrücktesten Dinge. Wir Frauen sind da kühler.«
»Du bildest dir was ein, weil du viel rumgekommen bist, weil du Erfahrung hast.« Der Junge reagierte schließlich. »Es gefällt mir nicht, daß du mich behandelst, als würde ich kurze Hosen tragen.«
»Genau das bist du, Carreñito. Ein Rotzjunge mit kurzen Hosen.« Sie lachte, und sie wurde wieder ernst. Und sie fuhr fort, jeden Buchstaben betonend: »Aber wenn ich dir gefallen habe, wenn du dich verliebt hast, warum hast du mir dann nichts gesagt. Ich meine, wo du mich doch hier in Reichweite hast.«
»Wie recht sie hatte«, rief Lituma aus. »Warum hast du nichts mit ihr angefangen? Worauf hast du gewartet?«
Frenetisches Gebelle auf der Straße ließ sie verstummen. Man hörte »Ruhe, Scheißköter« und den Aufprall eines Steins. Die Hunde beruhigten sich. Der Junge, von Kopf bis Fuß in Schweiß gebadet, merkte, daß sie aufstand und sich um das Bett herum bewegte. Sekunden später grub sich Mercedes’ Hand in sein Haar. Sie begann es sanft zu zausen.
»Was sagst du da?« Lituma verschluckte sich.
»Warum bist du nicht direkt zu meinem Bett gegangen, als du aus dem Bad zurückgekommen bist, Carreñito? War es denn nicht das, was du wolltest?« Mercedes’ Hand wanderte von seinem Kopf zu seinem Gesicht herab, streifte seine Wangen und gelangte zu seiner Brust. »Wie heftig es schlägt! Bumbumbum. Du bist ein komischer Typ. Hast du dich geschämt? Hast du irgendein Problem mit den Frauen?«
»Wawawas?« stotterte Lituma, aufgerichtet in der Dunkelheit, zu Tomasito hinüberspähend.
»Ich würde dich nie ausnutzen, ich würde dich nie schlagen«, stammelte der Junge, während er Mercedes’ Hand ergriff und sie küßte. »Und außerdem . . .«
»Du lügst mich an«, wiederholte Lituma ungläubig.
»Das darf doch nicht wahr sein.«
»Ich bin nie mit einer Frau zusammen gewesen«, gestand der Junge schließlich. »Lach nur, wenn du willst.«
Mercedes lachte nicht. Carreño gewahrte, wie sie sich aufrichtete, die Decke hob, und er rückte beiseite, um ihr Platz zu machen. Als er sie an seinem Körper spürte, umarmte er sie.
»Jungfrau mit dreiundzwanzig?« sagte Lituma. »Ich weiß nicht, was du in der Gendarmerie machst, Junge.«
Während er sie küßte, auf das Haar, auf den Hals, auf die Ohren, hörte er sie zwischen den Zähnen murmeln:
»Ich glaube, jetzt versteh ich endlich, Carreñito.«
IV
Ging es mit dieser Straße voran? Lituma hatte eher den Eindruck, daß sie sich zurückentwickelte. In den Monaten, in denen er sich hier befand, war die Bautätigkeit dreimal unterbrochen worden, jedesmal nach dem gleichen Schema, wie bei einer gesprungenen Schallplatte: Die Arbeiten würden am Ende dieser Woche oder dieses Monats
Weitere Kostenlose Bücher