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Tod in den Anden

Tod in den Anden

Titel: Tod in den Anden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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Gespenst.
    »Guten Tag«, hörte er in seinem Rücken.
    Er drehte sich mit der entsicherten Smith and Wesson um, und da stand Dionisio, der Kantinenwirt.
    »Hehehe.« Er machte eine beschwichtigende Geste mit den Händen, lächelnd. »Tun Sie den Revolver weg, mein Herr Korporal, nicht, daß er Ihnen losgeht.«
    Er sah klein aus, aber kräftig und trug den üblichen blauen Pullover mit dem Rollkragen bis zum Kinn. Das feiste, schwarz verfärbte Gesicht, die fast grünlichenZähne, das Büschel grauer Haare, die kleinen, von einem trunkenen Fieber ausgeglühten Augen und die Pranken wie Schaufeln brachten Lituma aus dem Konzept. Was machte der hier?
    »Es ist nicht gut, sich so still heranzuschleichen«, murrte er. »Sie hätten sich eine Kugel einhandeln können.«
    »Wir alle sind nervös wegen der Dinge, die passieren«, murmelte der Kantinenwirt. Er hatte eine liebedienerische, unterwürfige Art zu reden, die jedoch von seinen kleinen, wäßrigen Augen Lügen gestraft wurde, die selbstsicher und sogar verächtlich blickten. »Vor allem Sie, die Polizisten. Sie haben natürlich guten Grund dazu.«
    Bei Lituma hatte Dionisio immer unüberwindlichen Argwohn geweckt, und in diesem Augenblick mehr denn je. Aber er ließ sich nichts anmerken, ging auf ihn zu und reichte ihm die Hand:
    »Ich warte auf jemanden«, sagte er. »Sie müssen gehen.«
    »Sie warten auf mich«, antwortete Dionisio amüsiert.
    »Und hier bin ich, weil ich gekommen bin.«
    »Sie sind nicht der, der gestern mit Tomasito gesprochen hat.«
    »Den vergessen Sie mal und auch, wie ich heiße, und mein Gesicht«, sagte der Kantinenwirt, während er sich niederhockte. »Besser, Sie setzen sich, man könnte uns von unten sehen. Das hier ist vertraulich.«
    Lituma setzte sich neben ihn, auf einen flachen Stein.
    »Sie können mir also Informationen über diese drei geben?«
    »Wegen diesem Treffen riskier ich Kopf und Kragen, mein Herr Korporal«, sagte Dionisio.
    »Das tun wir alle, jeden Tag«, antwortete Lituma. Hoch oben war ein Schatten aufgetaucht. Er schwebte, ohne mit den Flügeln zu schlagen, still in der Luft, getragen von einem sanften, unsichtbaren Luftstrom; in dieser Höhe konnte das nur ein Kondor sein. »Selbst die armen Tiere. Haben Sie das von dieser Familie in Huancapi gehört? Sie haben sogar die Hunde hingerichtet, wie es scheint.«
    »Gestern abend kam einer in die Kantine, der dabei war, als die Terroristen auftauchten«, sagte Dionisio mit einem Unterton, der Lituma vergnügt, fast euphorisch vorkam. »Sie haben ihr Volksgericht abgehalten, wie immer. Die Glückspilze haben sie ausgepeitscht, und den Pechvögeln haben sie den Schädel eingeschlagen.«
    »Es fehlt nur noch, daß sie den Leuten das Blut aussaugen und ihr rohes Fleisch essen.«
    »So weit wird es kommen«, erklärte der Kantinenwirt, und Lituma sah, daß seine kleinen Augen unruhig flackerten. ›Unglücksbringer‹, dachte er.
    »Schön, um auf unsere Angelegenheit zurückzukommen«, sagte er, »wenn Sie wissen, was verdammt noch mal hier passiert, und es mir sagen, dann werdeich Ihnen dankbar sein. Diese Verschwundenen . . . Ich tappe im dunkeln. Sie sehen, ich bin offen zu Ihnen. War es Sendero? Haben die sie umgebracht? Haben die sie entführt? Sie werden mir nicht damit kommen, daß es die pishtacos oder die Berggeister waren, wie Doña Adriana, oder?«
    Der Wirt war dabei, mit dem Stöckchen, auf dem er zuvor herumgekaut hatte, den Boden zu ritzen, und schaute ihn nicht an. Lituma hatte ihn immer mit diesem speckigen blauen Pullover gesehen. Und immer war ihm seine weiße Haarsträhne aufgefallen. Die Indios hatten selten weiße Haare. Selbst die Uralten, diese in sich zusammengefallenen, geschrumpften Indios, die wie Kinder oder Zwerge wirkten, bewahrten ihr schwarzes Haar. Sie wurden weder kahl noch grau. Eine Folge des Klimas bestimmt. Oder der vielen Koka, die sie kauten.
    »Niemand arbeitet gratis«, sagte der Kantinenwirt leise. »Die Information, die ich habe, würde Verheerungen in Naccos anrichten. Viele Köpfe würden rollen. Ich riskiere meinen Hals, wenn ich sie Ihnen gebe. Hat man daran gedacht, sich irgendwie erkenntlich zu zeigen? Sie verstehen, was ich meine.«
    Lituma wühlte in seinen Taschen auf der Suche nach Zigaretten. Er bot Dionisio eine an und gab ihm Feuer.
    »Ich möchte Ihnen nichts vormachen«, sagte er, in bedächtigem Ton. »Wenn Sie Geld erwarten . . . ich bin blank. Jeder kann sehen, in welchen Verhältnissenmein Amtshelfer und

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