Tod in den Anden
machte sich nicht über ihn lustig. Vielleicht war sie eine verrückte alte Vettel, aber sie wußte ganz genau, was passiert war; sie war eine Komplizin, ohne Zweifel.
»Zumindest werden Sie wissen, daß die Leichen dieser drei in einem Stollen des verlassenen Bergwerks verfaulen, nicht wahr? Hat Ihr Ehemann Ihnen das nicht erzählt? Mir hat er es nämlich erzählt. Und er könnte es Ihnen bestätigen, wenn er nicht zum Umfallen betrunken wäre.«
»Ich kann mich nicht daran erinnern, daß ich Ihnen etwas erzählt habe«, lallte Dionisio. Er schnitt Grimassen und ahmte einen Bären nach. »Bestimmt war ich ein bißchen beschwipst. Aber jetzt bin ich in Hochform, und ich kann mich nicht erinnern, daß ich je mit Ihnen gesprochen habe, mein Herr Korporal.«
Er lachte, machte ein paar ungelenke Bewegungen mit seinem schwammigen Körper und zog sich wieder in sich zurück, nahm eine unerschütterliche Haltung ein, während er voll Interesse die Gegenstände des Zimmers musterte. Carreño setzte sich auf die Bank hinter der Frau.
»Alle Finger in Naccos zeigen auf Sie beide«, erklärte er, aber Señora Adriana wandte sich nicht zu ihm um. »Alle sagen, daß Sie angestiftet haben, was ihnen passiert ist.«
»Und was ist ihnen passiert?« sagte die Frau mit einem provozierenden Lachen.
»Das würde ich gerne von Ihnen hören, Doña Adriana«, sagte Lituma. »Vergessen Sie die Teufel, die bösen Geister, die schwarze und die weiße Magie, all diese Hexenmärchen, die Sie den Hilfsarbeitern erzählen. Sagen Sie mir einfach, was diesen drei Leuten passiert ist. Weshalb wird im Lager gemunkelt, daß Sie und Ihr Mann verantwortlich sind für das, was ihnen passiert ist?«
Die Frau lachte erneut, freudlos, mit einem Anflug von Verachtung. Wie sie so auf dem Fell saß, ungestalt durch die Körperhaltung und die aufgebauschte Kleidung, ging etwas Unheimliches und Beunruhigendes von ihr aus. Sie schien keine Angst zu haben vor dem, was ihr geschehen konnte. Lituma dachte, daß die Frau sich ihrer Bestimmung so sicher war, daß sie sich sogar den Luxus leistete, Mitleid angesichts der tappenden Schritte zu empfinden, mit denen er und sein Amtshelfer wie die Blinden umherirrten. Und was den Kantinenwirt betraf, hatte man je einen so schamlosen Menschen gesehen? Jetzt erinnerte er sich nicht einmal daran, daß er das Geheimnis verkaufen wollte; er besaß sogar die Unverschämtheit zu leugnen, daß sie beim verlassenen Bergwerk miteinander gesprochen hatten und er ihm unzweideutig zu verstehen gegeben hatte, daß sich die Verschwundenen in der Tiefe eines Stollens befanden. Bis zum Eintreffen des Funktelegramms aus Huancayohatten Lituma und Tomasito daher ausgeschlossen, daß die Terroristen für das Verschwinden verantwortlich waren. Aber jetzt wurden sie wieder unsicher. Bestimmt waren die Terroristen auf der Suche nach diesem Bürgermeister von Andamarca mit falschem Namen, soviel stand fest. Also . . . Jedenfalls zeigten alle Finger auf dieses Paar, wie Tomasito gesagt hatte. Denn allmählich, nachdem sie dem einen Arbeiter dieses und dem anderen jenes entlockt und die Andeutungen in Zusammenhang gebracht hatten, schwanden alle Zweifel: der Wirt und seine Frau hatten viel mit der Sache zu tun, zumindest wußten sie bis ins einzelne, was geschehen war. Der Wolkenbruch hielt an und wurde immer heftiger.
»Sie brauchen einen Schuldigen für das Verschwinden dieser Leute«, rief Dionisio plötzlich aus, als kehrte er in die Wirklichkeit zurück, um Lituma die Stirn zu bieten. »Sie sind auf dem Holzweg, mein Herr Korporal. Wir haben nichts damit zu tun. Adriana mag den Leuten ihr Schicksal weissagen, aber entscheiden tut sie es nicht.«
»Was denen zugestoßen ist, ist etwas, das über Sie und über uns hinausgeht«, sagte seine Frau, ihm das Wort aus dem Mund nehmend. »Ich hab es Ihnen doch schon gesagt. Schicksal, so heißt das. Es existiert, auch wenn es den Leuten nicht gefällt. Und außerdem wissen Sie ganz genau, daß dieses Gemunkel der Hilfsarbeiter ein Dreck ist.«
»Das ist es nicht«, sagte hinter ihr Carreño. »DieFrau von Demetrio, ich meine von Medardo Llantac, hat uns erzählt, bevor sie Naccos verließ, daß ihr Mann, als sie ihn zum letzten Mal sah, ihr gesagt hat, er würde ein Gläschen in Ihrer Kantine trinken gehen.«
»Ja kommen denn nicht alle Hilfsarbeiter und Vorarbeiter in unser Lokal?« brach es aus Dionisio hervor, der abermals erwachte. »Wohin sollen sie sonst gehen? Gibt es noch eine Kantine
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