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Tod in den Anden

Tod in den Anden

Titel: Tod in den Anden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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in Naccos?«
    »Um die Wahrheit zu sagen, wir haben keine konkreten Anschuldigungen gegen Sie«, räumte Lituma ein. »Das stimmt. Weil die Leute alles nur halb wissen oder weil sie Angst haben. Aber wenn man sie ein wenig unter Druck setzt, dann lassen alle durchblicken, daß Sie Ihre Hand bei diesem Verschwinden im Spiel gehabt haben.«
    Señora Adriana lachte erneut ihr bitteres und herausforderndes Lachen. Sie schnitt eine Grimasse, zu der sie ihren ganzen Mund brauchte, so wie Erwachsene ihr Gesicht verziehen, damit die Kinder ihren Spaß haben.
    »Ich setze niemandem Ideen in den Kopf«, sagte sie.
    »Ich hole ihnen die Ideen raus, die sie haben, und halte sie ihnen vor die Nase. Nur schaut sich keiner dieser Indios gern im Spiegel an.«
    »Ich helfe ihnen bloß, ihre Kümmernisse zu vergessen, indem ich ihnen zu trinken gebe«, knüpfte Dionisio an, während er seine wäßrigen, flimmernden Augen auf Lituma heftete. »Was würde aus den Arbeitern,wenn sie nicht einmal die Kantine hätten, um ihre Sorgen im Alkohol zu ertränken.«
    In der Ferne zuckte ein Blitz, gefolgt von einem Donnerschlag. Die vier verharrten schweigend, bis das Getöse aufhörte und nur noch das dünne Getrommel des Regens zu hören war. Der Berghang, auf dem man zum Lager hinunterstieg, war ein einziger Morast, durchzogen von zahlreichen Rinnsalen. Durch die halboffene Tür sah Lituma den Wasservorhang und im Hintergrund dunkle Gewitterwolken. Das Lager und die umliegenden Berge waren in einem gräulichen Dunst versunken. Und es war drei Uhr nachmittags.
    »Stimmt es, was man so oft von Ihnen behauptet, Doña Adriana?« sagte Carreño plötzlich laut. »Daß Sie als junge Frau zusammen mit Ihrem ersten Mann, einem Bergarbeiter mit einer Riesennase, einen pishtaco getötet haben?«
    Dieses Mal wandte sich die Hexe um und schaute den Gendarm an. Sie maßen einander eine ganze Weile schweigend mit den Augen; schließlich blinzelte Tomasito und senkte den Blick.
    »Gib mir deine Hand, Junge«, murmelte Señora Adriana, besänftigt.
    Lituma sah, daß der Gendarm zurückwich und ein Lächeln andeutete, aber dann wurde er sofort ernst. Dionisio blickte ihn prüfend, amüsiert an, halblaut vor sich hin summend. Doña Adriana streckte ihm noch immer die Hand entgegen und wartete. IhrKopf, von hinten gesehen, sah wie ein zerzauster Federwisch aus. Sein Amtshelfer fragte ihn mit den Augen, was er tun sollte. Lituma zuckte die Schultern. Tomasito ließ zu, daß die Frau seine rechte Hand zwischen die ihren nahm. Der Korporal reckte ein wenig den Kopf. Doña Adriana befühlte und säuberte die Hand des Gendarms und führte sie nahe an ihre großen, hervortretenden Augen heran: Lituma schien, als müßten sie ihr aus den Höhlen springen und über den Boden der Hütte kullern. Tomasito, blaß, blickte sie argwöhnisch an und ließ alles mit sich geschehen. ›Ich müßte diesem dummen Spaß mit einem lauten Fluch ein Ende machen‹, dachte Lituma, ohne sich zu rühren. Dionisio war wieder in irgendeine Träumerei versunken und summte mit halbgeschlossenen Augen leise eine jener mulizas , mit denen die Maultiertreiber auf ihren langen Wegen gegen die Langeweile ansingen. Schließlich ließ die Hexe die Hand des Gendarmen los und schnaufte, als hätte sie eine große Anstrengung vollbracht.
    »Also Liebeskummer. Das hat mir schon dein Gesicht gesagt, mein Junge.«
    »Das erraten sämtliche Wahrsagerinnen der Welt«, sagte Lituma. »Kehren wir zu den ernsthaften Dingen zurück, Doña Adriana.«
    »Und du hast ein soo großes Herz«, fügte sie hinzu, als hätte sie Lituma nicht gehört; sie hatte die Arme ausgebreitet und formte ein riesiges Herz. »Was hat die für ein Glück, so geliebt zu werden.«
    Lituma versuchte ein Kichern.
    »Sie will dich weich machen, Tomasito, laß dir das nicht gefallen«, sagte er. Aber der Gendarm lachte nicht. Er hörte ihm auch nicht zu. Sehr ernst geworden, betrachtete er fasziniert die Frau. Sie griff erneut nach seiner Hand, befühlte sie und erforschte sie abermals aus nächster Nähe mit ihren weit aufgerissenen Augen. Der Wirt sang noch immer das gleiche Lied, mit halblauter Stimme, wobei er im Takt der Melodie den Körper hin und her wiegte und kleine Hüpfer vollführte, gleichgültig allem übrigen gegenüber.
    »Es ist eine Liebe, die dir Unglück gebracht hat, die dir Leid zufügt«, sagte Doña Adriana. »Dein Herz verblutet jede Nacht. Aber das hilft dir wenigstens leben.«
    Lituma wußte nicht, was er tun

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