Tod in den Anden
uns glauben zu machen, daß Dionisio und Doña Adriana die Anstifter waren. Auf diese Weise lenken sie uns auf eine falsche Fährte und befreien sich von jeder Verantwortung. Wäre es nicht besser, diesen Fall zu begraben, Herr Korporal?«
»Es ist nicht so, daß mir was daran liegt, ihn aufzuklären, Tomasito. Aus Arbeitseifer, meine ich. Aber ich bin sehr neugierig. Ich hab mir in den Kopf gesetzt, herauszukriegen, was ihnen passiert ist. Und jetzt, wo du mir das mit dem Stummen und mit Leutnant Pancorvo erzählt hast, werde ich erst wieder ruhig schlafen können, wenn ich es herausgefunden habe.«
»Die Leute haben Angst, haben Sie das gemerkt? In der Kantine, auf dem Bau, in den Bautrupps. Sogar die Indios der Gemeinschaft, die noch nicht fortgegangen sind. Die Atmosphäre ist gespannt, als würde etwas passieren. Es kann an dem Gerücht liegen, daß sie die Straße nicht weiterbauen wollen, daß alle ihre Arbeit verlieren werden. Und auch an den vielen Massakern überall. Das halten die stärksten Nerven nicht aus. Es liegt was in der Luft. Spüren Sie das nicht?«
Ja, Lituma spürte es. Die Gesichter der Arbeiter waren angespannt, ihre Augen huschten hin und her, als wollten sie einen lauernden Feind überrumpeln, die Gespräche in der Kantine oder zwischen den Baracken verliefen stockend, trübsinnig und verstummtenin seiner Gegenwart. Wegen der Verschwundenen? Waren sie verängstigt, weil jeder von ihnen der vierte sein konnte?
»Guten Tag, Korporal«, sagte der Mann mit dem Bergarbeiterhelm, während er vor ihnen die Hand zum Gruß hob. Er war ein großer, kräftiger Mestize mit einem beginnenden Bart. Seine dicksohligen Bergarbeiterstiefel waren bis zum Knöchel schlammverschmiert. Er versuchte sie zu säubern, bevor er in die Hütte trat, indem er sie kräftig auf dem Querbalken der Türschwelle abklopfte. »Ich komme aus La Esperanza. Um Sie zu holen, Korporal Lituma.«
La Esperanza war ein Silberbergwerk, ein paar Stunden Fußmarsch entfernt, im Osten von Naccos. Lituma war nie dort gewesen, aber er wußte, daß etliche Hilfsarbeiter des Lagers entlassene Bergarbeiter von dort waren.
»Gestern abend sind die Terroristen bei uns erschienen und haben schlimme Verwüstungen angerichtet«, erklärte er, während er den Helm abnahm und sein langes, fettiges Haar schüttelte. Seine Jacke und seine Hose waren völlig durchweicht. »Sie haben einen meiner Männer umgebracht und einen anderen verletzt. Ich bin der Sicherheitschef von La Esperanza. Sie haben den Sprengstoff, die Lohngelder und tausend Dinge mehr mitgenommen.«
»Es tut mir sehr leid, aber ich kann nicht mitkommen«, sagte Lituma. »Wir sind nur zwei auf dem Posten, ich und mein Amtshelfer. Wir haben ein ernstesProblem zu lösen. Sie müßten um Anweisungen bei der Kommandantur in Huancayo bitten.«
»Das haben die Ingenieure bereits getan«, erwiderte der Mann respektvoll. Er holte ein zusammengefaltetes Papier aus der Tasche und reichte es ihm. »Sie haben über Funk mit Ihren Vorgesetzten gesprochen. In Huancayo haben sie gesagt, daß Sie sich darum kümmern müßten. La Esperanza befindet sich in Ihrem Zuständigkeitsbereich.«
Lituma las das Telegramm wieder und wieder, niedergeschlagen. So stand es da. In dem Bergwerk waren sie besser ausgerüstet als in diesem dreckigen Lager. Er war hier ohne Verbindungen, blind und taub gegenüber dem, was in der Außenwelt geschah. Denn das Funkgerät des Lagers funktionierte entweder zu spät, schlecht oder überhaupt nicht. Wer hatte die absurde Idee gehabt, in Naccos einen Posten der Gendarmerie einzurichten? Man hätte ihn eher in La Esperanza einrichten sollen. Aber wenn er dort gewesen wäre, hätten er und Tomasito es bereits mit den Terroristen zu tun bekommen. Sie waren also in der Nähe. Der Strick um den Hals zog sich enger zusammen.
Carreño hatte begonnen, auf dem Spirituskocher Kaffee zu kochen. Der Mann vom Bergwerk hieß Francisco López. Er ließ sich auf dem Fell nieder, auf dem Doña Adriana gesessen hatte. Der Wasserkessel begann zu pfeifen.
»Nicht, daß Sie noch etwas tun könnten«, erklärte López. »Sie sind natürlich abgeschwirrt mit ihrer Beute.Aber der Polizeibericht mit der Anzeige ist erforderlich, damit die Versicherung das Unternehmen entschädigt.«
Tomás füllte die Blechtassen mit dem kochendheißen Kaffee und reichte sie ihnen.
»Wenn Sie wollen, dann mach ich einen Sprung nach La Esperanza, Herr Korporal.«
»Nein, ich geh allein. Übernimm du den
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