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Tod in den Anden

Tod in den Anden

Titel: Tod in den Anden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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und in der kleinen Bar der Chunga den Unbezwingbaren dieses große Abenteuer erzählen würde.
    Er hatte sich aufgerichtet und konnte in seinem Umkreis, im fahlen Licht des Mondes, die Verheerungen der Lawine erkennen. Die Bresche, die der riesige Stein geschlagen hatte. Die ganze Umgebung war von Felsbrocken und Schlamm bedeckt. Hier und da lagen Schneeplacken auf dem Morast. Aber es wehte kein Wind, und es gab nicht das geringste Anzeichen von Regen. Er forschte das unter ihm liegende Dunkel aus, wo sich das Lager befinden mußte. Er sah kein einziges Licht. Hatte die herabstürzende Flut aus Erde, Schlamm und Geröll alles, Baracken, Menschen, Werkzeuge, unter sich begraben?
    Er duckte sich, tastete suchend den Boden ab und fand seinen Stiefel. Er war voller Erde. Er säuberte ihn, so gut es ging, und zog ihn an. Er beschloß,
     jetzt gleich den Abstieg zu beginnen, ohne auf den Tag zu warten. Bei diesem Mond und wenn er langsam ginge, würde er sich zurechtfinden. Er war ruhig und
     glücklich. Als hätte er eine Prüfung bestanden, dachte er, als hätten diese Scheißberge, dieses Scheißhochland ihn endlich akzeptiert. Bevor er seinen Weg
     fortsetzte, drückte er seinen Mund gegen den Felsen, der ihm Schutz gewährt hatte, und flüsterte, wie ein Indio getan hätte: »Vielen Dank, daß du mein
     Leben gerettet hast, mamay, apu, pachamama , oder wer zum Teufel du sein magst.«
    »›Wie war Ihre Geschichte mit dem pishtaco , Doña Adriana?‹ fragt ihr, sobald ihr das erste Glas getrunken habt, denn nichts gefällt euch so wie der Tod des Schlächters. ›War es derselbe, der Ihren Vetter Sebastián ausgedörrt hat? War es der, den Sie töten geholfen haben?‹ Nein, ein anderer. Das war lange vorher. Damals hatte ich noch alle meine Zähne und keine einzige Falte. Ich weiß, daß es viele verschiedene Geschichten darüber gibt, ich habe sie alle gehört. Nach so langer Zeit sind einige Einzelheiten aus meinem Gedächtnis verschwunden. Damals war ich jung und noch nie aus meinem Dorf herausgekommen. Jetzt muß ich uralt sein.
    Quenka ist weit, auf der anderen Seite des Mantaro, in der Nähe von Parcasbamba. Wenn der Fluß durch die Regenfälle stark anstieg und das Land überflutete, verwandelte sich das Dorf in eine Insel, zusammengedrängt auf der Berghöhe und umgeben von überschwemmten Saatfeldern. Die Kartoffeln, die Bohnen, die Gerste, der Mais und der Ajípfeffer wuchsen gut. Die Bäume, die man molles nennt, die Eukalyptusbäume und die Weiden schützten uns vor den Wirbelwinden. Selbst die ärmsten Bauern hatten ihre Hühnchen, ihr Schweinchen, ihre Schäfchen oder ihre kleinen Lamaherden, die in der Höhe weideten. Ich führte ein ruhiges Leben. Von meinen Schwestern war ich diejenige, der am meisten der Hof gemacht wurde; mein Vater, ein angesehener Bewohner von Quenka, verpachtete drei seiner kleinenGrundstücke und bearbeitete zwei; er war Besitzer des Warenlagers, des Ausschanks, des Krämerladens, der Reparaturwerkstatt und der Mühle, in die alle ihr Korn zum Mahlen brachten. Mein Vater war oft Vorsteher der Dorffeste, und jedesmal gab er das Geld mit vollen Händen aus, ließ einen Geistlichen kommen und holte Musikgruppen und Tänzer aus Huancayo. Bis der pishtaco kam.
    Woher wußten wir, daß er gekommen war? Durch die Verwandlung des Lieferanten Salcedo, der seit Jahren Heilmittel, Kleider und Werkzeuge für den Laden meines Vaters brachte. Er stammte von der Küste. Er kam mit großem Getöse in einem zusammengeflickten kleinen Lieferwagen; sein Motor und sein blechernes Geklapper kündigten ihn schon lange an, bevor wir Bewohner von Quenka ihn sehen konnten. Alle kannten ihn, aber jenes Mal erkannten wir ihn kaum wieder. Er war groß und dick geworden, ein wahrer Riese. Er hatte jetzt einen Bart von der Farbe einer Kakerlake und blutunterlaufene, hervortretende Augen. Die Leute, die zu seiner Begrüßung zusammengelaufen waren, sah er an, als wollte er sie mit seinen Riesenaugen verschlingen. Männer und Frauen. Mich auch. Ein Blick, den ich nicht vergessen kann und der alle das Fürchten lehrte.
    Er war schwarz gekleidet, trug Stiefel, die ihm bis zu den Knien reichten, und einen so großen Poncho, daß es schien, als würde Salcedo davonfliegen, wenn ein Windstoß ihn bauschte. Er lud den Lieferwagenaus und bezog wie üblich Quartier im Hinterzimmer unseres Lagers. Er war nicht mehr der gesprächige Mensch, der Nachrichten von draußen brachte und sich mit den Leuten befreundete. Er

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