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Tod in den Anden

Tod in den Anden

Titel: Tod in den Anden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Vargas Llosa
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war, der einem das Gefühl gebenkonnte, nicht gar so verlassen zu sein. Was würde Tomasito sagen? Er stellte sich das Gesicht seines Amtshelfers vor, die Ungläubigkeit in seinen Augen, das Würgen, das ihn ankäme. Oder vielleicht nicht, die Beschäftigung mit seiner Piuranerin impfte ihn gegen die Mutlosigkeit. Doña Adriana hatte sie überzeugt; wenn sie ein großes Unheil bei den Bauarbeiten verhindern wollten, einen Erdrutsch, ein Erdbeben oder ein Massaker, gab es nur eine Lösung: Menschenblut für die apus. Und um sie weichzukriegen und ihnen den Rat schmackhaft zu machen, hatte diese Schwuchtel sie betrunken gemacht. Ich glaub es nicht, Herr Korporal. So war es, Tomasito. Da hast du die Erklärung dafür, warum es heißt, sie seien die Anstifter gewesen. Aber eines war nicht klar. Wenn es sich um eine Opfergabe an die apus handelte, reichte dann nicht einer? Warum drei? Wer weiß, Tomasito. Vielleicht mußte eine ganze Horde von apus besänftigt werden. Eine Straße führt durch viele Berge hindurch, nicht wahr?
    Er rutschte aus und saß plötzlich im Schlamm. Er stand auf und fiel abermals, dieses Mal auf die Seite. Er lachte über seine Ungeschicktheit, aber in Wahrheit war ihm danach, laut zu heulen. Wegen des erbärmlichen Zustands seiner Uniform, wegen der Schürfwunden an seinen Händen, aber vor allem, weil die Welt, das Leben ihm auf einmal unerträglich vorkamen. Er wischte sich die Handflächen am Hosenboden ab und setzte seinen Marsch fort, wobei er sichbei jedem Schritt an den Felsen festhielt. Wie war es möglich, daß diese Arbeiter, von denen viele Mestizen waren, Leute, die zumindest die Grundschule besucht hatten, die in den Städten gewesen waren, die Radio hörten, die ins Kino gingen, die sich wie moderne Menschen kleideten, sich wie wilde Nacktärsche und Kannibalen aufführten? Bei den Indios der Hochebenen, die nie eine Schule betreten hatten und weiter wie ihre Urgroßväter lebten, konnte man das ja verstehen. Aber doch nicht bei diesen Typen, die Karten spielten und getauft waren.
    Es hatte etwas aufgeklart, und Lituma konnte durch den grauen Dunst des Tages tief unten die Lichter des Lagers erkennen. In diesem Augenblick wurde er gewahr, daß er außer dem fernen Donner seit einer Weile auch ein tiefes Dröhnen, ein anhaltendes Grollen der Erde vernahm. Was zum Teufel war das? Noch ein Unwetter, das hinterrücks über ihn hereinbrach. Sogar die Elemente verhielten sich verräterisch in diesen Scheißanden. Was passierte hier, verdammt nochmal? Zitterte die Erde? War das ein Erdbeben? Jetzt hatte er keinen Zweifel mehr: Der Boden zitterte unter seinen Füßen, und es roch nach Terpentin. Ihn umgab ein dröhnender, tiefer Ton, der aus dem Herz des Gebirges heraufstieg. In seinem Umkreis, zwischen seinen Füßen, von unsichtbaren Händen getrieben oder aufgescheucht, rollten Steinchen, Splitter, und er gewahrte, daß er, fast ohne es zu merken, auf allen vieren unter einem hohen, spitz zulaufendenFelsen Schutz gesucht hatte, der von gelblich-grünen Moosflechten bedeckt war.
    »Was ist los, Gott im Himmel, was ist das«, rief er laut, während er sich bekreuzigte, und dieses Mal gab es kein Echo, weil das dichte, vielfache, allgegenwärtige Getöse, dieses granitene Dröhnen, dieses gewaltige Den-Berg-Hinabstürzen alle anderen Geräusche verschluckte. Es hieß, Dionisios Mutter sei von einem Blitz erschlagen worden. Würde auch er gleich von einem erschlagen werden? Er zitterte am ganzen Leib; durch die Angst waren seine Hände schweißnaß geworden. »Ich will nicht sterben, lieber Gott, beim Allerheiligsten«, schrie er und spürte dabei, daß sein Hals trocken und rissig war.
    Der Himmel war noch dunkler geworden, und obwohl gerade erst der Nachmittag begann, schien die Nacht hereingebrochen zu sein. Wie im Traum sah er, daß eine kaninchengroße Viscacha zwischen den Steinen auftauchte und an ihm vorbei in Panik den Berg hinunterstürzte; sie hatte steife Ohren und sprang blindlings, immer wieder stolpernd; schließlich verschwand sie. Lituma versuchte zu beten, aber nicht einmal das konnte er. War das ein Erdbeben? Würde er von einem dieser Felssteine erschlagen werden, die links und rechts hüpfend, gegeneinanderprallend, auseinanderbrechend und zersplitternd mit wahnsinnigem Getöse an ihm vorbeirollten? Tiere besaßen einen sechsten Sinn, sie witterten die Katastrophen, die Viscacha war aus ihrer Höhle geflohen, hatte sichdavongemacht, weil sie das Ende der Welt gerochen

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